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Der BAYERNKURIER hat eine lange Tradition: Franz Josef Strauß gründete das Blatt am 3. Juni 1950. Markenzeichen des BAYERNKURIER war die Einordnung und Erklärung des politischen Zeitgeschehens aus konservativ-liberaler Sicht: Klar in der Sprache, nah an den Menschen und ihrer Lebenswirklichkeit in Bayern. Franz Josef Strauß war auch der erste Chefredakteur des BAYERNKURIER. Unter Chefredakteuren wie Peter Schmalz, Peter Hausmann und besonders Wilfried Scharnagl, der das Blatt während seiner Hochphase leitete, prägte der Bayernkurier den politischen Diskurs in Bayern maßgeblich. 

Unsere Artikel

Der Letzte macht das Licht aus

Atomkraft

Der Letzte macht das Licht aus

Der Atomausstieg läuft und die letzten sechs Kernkraftwerke stehen nur noch zwei Jahre vor ihrer Abschaltung. Auch in Bayern laufen die aufwändigen Arbeiten an den drei verbliebenen Standorten. Es gab jedoch schon andere Rückbauten.

Unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Bundesregierung 2011 nach der Kernschmelze im japanischen Reaktor Fukushima, ausgelöst durch einen Tsunami, beschlossen, dass die Atomkraftwerke hierzulande gestaffelt abgeschaltet werden. Ein schnellerer Ausstieg als der 2002 von Rot-Grün beschlossene. Der Bundestag hatte dem im Konsens zugestimmt – mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen. Danach gehen die drei letzten Anlagen spätestens Ende 2022 vom Netz – das sind Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2.

Der Ausstieg läuft

Einige Atomkraftwerke wurden schon abgeschaltet, bei einigen läuft schon der Rückbau. Auch in Bayern, das im Laufe der Jahrzehnte Atomkraftwerke an den Standorten Grafenrheinfeld, Gundremmingen, Essenbach, Garching, Kahl am Main und Niederaichbach hatte.

Als erster deutscher Kernreaktor ging dabei der Forschungsreaktor München 1957 in Garching bei München in Betrieb, der jedoch nicht mit kommerziellen Reaktoren zu vergleichen ist. Die umstrittene Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf wurde nie gebaut und ist heute ein Gewerbepark. Auch das ab 1976 geplante Kernkraftwerk Pfaffenhofen an der Zusam wurde nie gebaut.

Erster Rückbau in Bayern

Was wenige wissen: In Bayern wurden schon Kernkraftwerke vollständig rückgebaut.

  • Der Versuchsreaktor Niederaichbach bei Landshut war Anfang der 70er Jahre nur für 18 Tage unter Volllast in Betrieb. Technische Probleme mit den Dampferzeugern und die Entwicklung der Leichtwasserreaktor-Technologie bedeuteten sein Ende. Von 1986 bis 1995 wurde er vollständig rückgebaut. Nahe dem Gelände wurden später die Reaktoren Isar 1 und 2 gebaut. Ein Gedenkstein und eine 1995 gepflanzte Eiche erinnern an den ersten Rückbau: Die Brennelemente wurden wiederaufbereitet, alle radioaktiven Anlagenteile bis 1986 im Sicherheitsbehälter sicher eingeschlossen. 1600 Tonnen radioaktive Abfälle und 30.000 Kubikmeter Beton mussten am Ende entsorgt werden.
  • Der kleine Reaktor in Kahl am Main im Bezirk Unterfranken (Firma RWE), 1960 das erste kommerzielle Kernkraftwerk der Bundesrepublik, wurde 1985 stillgelegt und von 1988 bis 2010 zur grünen Wiese rückgebaut. Auf dem Gelände wurde einige Jahre nach dem Bau des Kernkraftwerks auch der Heißdampfreaktor Großwelzheim (Firma AEG) errichtet, der ebenfalls stillgelegt und demontiert wurde. Denn eigentlich lagen beide Kraftwerke auf dem Gemeindegebiet von Großwelzheim, das ab 1975 zu Karlstein am Main gehörte. Weil die Nachbargemeinde Kahl einen Bahnhof hatte und den kürzeren Namen, wurde der Reaktor nach ihr benannt.
  • Der Block A in Gundremmingen, der 1977 ein wirtschaftlicher Totalschaden wegen einer Kontamination im Inneren wurde, steht nur noch als leere Betonhülle und ist heute ein Technologiepark. Der gesamte Inhalt wurde von 1983 bis 2005 entfernt.
  • Mehrere kleine Münchner Forschungsreaktoren in Garching und Oberschleißheim wurden ebenfalls stillgelegt und teilweise rückgebaut.

Zum Zeitpunkt des Baus und auch später herrschte noch große Begeisterung für die Atomkraft: Unvergessen das Foto, wie 1957 SPD-Ministerpräsident Wilhelm Hoegner begeistert einen verpackten Uranstab aus den USA für den Forschungsreaktor Garching in die Höhe hielt und scherzhaft sagte: „Es lebe die Aktivität!“

Bei der Bildung der neuen Gemeinde Karlstein am Main aus den bis dahin selbständigen Orten Dettingen und Großwelzheim im Jahr 1975 wurde aus letzterem Ort sogar das Atomsymbol in das neu geschaffene und bis heute gültige Gemeindewappen aufgenommen. Die eiförmige Kuppel wurde in Garching bei München Bestandteil des Stadtwappens.

Probleme beim Rückbau

Beim Kraftwerk Kahl zeigte sich: Dieser Abriss dauerte länger als der Betrieb und kostete mit 150 Millionen Euro auch wesentlich mehr als der Aufbau ab 1958. Auch in Niederaichbach lag das Missverhältnis bei 230 Millionen Mark (Bau) zu 280 Millionen Mark (Abriss). Dies allerdings auch deshalb, weil hier Rückbautechniken erstmals erprobt wurden. So kamen etwa beim Rückbau der Reaktor-Ummantelung aufgrund der hohen Radioaktivität des Stahlbetons ferngesteuerte Kleinbagger zum Einsatz. Ein weiteres Problem war natürlich der anfallende Müll: Beim Rückbau von Block A in Gundremmingen fielen nach Betreiberangaben rund 10.000 Tonnen Schrott an, wovon 86 Prozent wieder verwertbar waren und 14 Prozent einer Endlagerung als radioaktiver Abfall zuzuführen sind. Hier fielen bereits Kosten von rund einer Milliarde Euro an. Ungelöst ist noch das Endlagerproblem in Deutschland, die Suche läuft. Schwach radioaktive Abfälle kommen in den niedersächsischen „Schacht Konrad“ bei Salzgitter, der ab 2027 einsatzbereit sein soll.

Wie der Konzern RWE über Kraftwerkssprecherin Christina Kreibich dem BAYERNKURIER mitteilte, gelte heute: „Für den Abbau von Kernkraftwerken stehen eine große Anzahl bewährter Technologien sowohl für Dekontamination und Zerlegung als auch für die Entsorgung der anfallenden Materialien zur Verfügung.“ Neue Instrumente werden aber auch immer wieder getestet: Am rheinland-pfälzischen AKW Mülheim-Kärlich etwa „knabberte“ ein ferngesteuerter Roboter etliche Meter des 162 Meter hohen Kühlturms ab, bevor er schließlich gesprengt wurde. Im Durchschnitt beliefen sich die Rückbaukosten für einen Block in Deutschland laut Kreibich im Bereich zwischen 750 Millionen und 1 Milliarde Euro.

Einschluss oder Rückbau

Nach der Abschaltung folgt eine Nachbetriebsphase von in der Regel vier Jahren, in der die immer noch stark erhitzten Brennstäbe abkühlen müssen. Dann kommt die Stilllegung mit den zwei Methoden „Direkter Rückbau“ und „Sicherer Einschluss mit anschließendem Rückbau“. Direkter Rückbau ist der Regelfall, da so noch die bislang für den Betrieb benötigten und im Umgang mit radioaktiven Materialien geschulten Mitarbeiter weiterbeschäftigt und eingesetzt werden können. Die Rückbaugenehmigung ist allerdings mit gewaltiger Bürokratie verbunden, mit unzähligen Sachverständigen und Überprüfungen, Bauteil für Bauteil.

Mit dem fortschreitenden Rückbau entwickeln sich Anlagen immer mehr zu einer Baustelle – Arbeitssicherheit ist gerade hier überaus notwendig. „Die Gesundheit und die Sicherheit der Mitarbeiter haben neben dem sicheren Abbau oberste Priorität“, betont Kreibich. „Alle Arbeiten werden so organisiert, vorbereitet und ausgeführt, dass auch die Strahlenbelastung für das vor Ort tätige Personal so gering wie möglich ist.“ Da sich der Rückbau über viele Jahre für die Bevölkerung nicht einsehbar im Inneren der Anlagen abspielt, komme außerdem „einer aktiven und transparenten Kommunikation“ enorme Bedeutung zu. Bereits im Genehmigungsverfahren hat RWE die Informationsinitiative „KKW Gundremmingen transparent“ ins Leben gerufen, um umfassend über Stilllegung und Abbau informieren zu können.

Und die Arbeitsplätze? Ein Teil der Mitarbeiter wird beim Jahrzehnte dauernden Rückbau eingesetzt, andere wechseln zur Zwischenlager-Gesellschaft und der Rest wird in der Regel sozialverträglich abgebaut. Werksfeuerwehr muss beispielsweise bis zur „Brennstofffreiheit“ weiter aufrechterhalten werden – das ist der Zeitpunkt, an dem ein Störfall ausgeschlossen ist.

Der aktuelle Stand

Wie sieht es aktuell bei den bayerischen AKW-Standorten aus? Zunächst: Für Forschungsreaktoren wie Garching gilt der Atomausstieg nicht, weil sie keine Energie erzeugen. Der veraltete Forschungsreaktor 1 in Garching wurde allerdings 2000 abgeschaltet, sein Rückbau 2014 auf 10 bis 15 Jahre veranschlagt. Sein 2005 in Betrieb gegangener Nachfolger FRM II ist der leistungsstärkste deutsche Forschungsreaktor und verfügt laut Betreiberangaben über die umfassendsten Sicherheitseinrichtungen für Forschungsreaktoren weltweit – sogar den Absturz großer Verkehrsflugzeuge, Hochwasser oder Erdbeben würde er überstehen.

Der Unterschied zu den großen AKW ist: Er dient im Gegensatz zu Kernkraftwerken nicht der Erzeugung von Strom, sondern von Neutronen. Garching hat deshalb nur ein einziges Brennelement mit mehreren voneinander unabhängigen Sicherungen, das Risiko ist somit verschwindend gering. Der „Schwimmbadreaktor“ produziert beispielsweise schnelle Neutronen für die Isotope der dortigen medizinischen Bestrahlungsanlage von Tumor-Erkrankten sowie zur Durchleuchtung von organischem oder sonstigem Material – zuletzt wurden beispielsweise Trüffel auf ihre Herkunft untersucht.

Die 2011 noch laufenden Reaktoren zur Stromerzeugung im schwäbischen Gundremmingen (Block B: 2017 abgeschaltet; Block C: Abschaltung Ende 2021), im unterfränkischen Grafenrheinfeld (2015 abgeschaltet) sowie im niederbayerischen Essenbach bei Landshut (Ohu/Isar 1: 2011 abgeschaltet; Isar 2: Abschaltung 2022) sind bereits vom Netz genommen oder stehen kurz davor.

Energie bis 2021: Gundremmingen

2017 ist Block B im schwäbischen Gundremmingen abgeschaltet worden. Die Schichtmannschaft trennte den Generator vom Stromnetz und schaltete kurz darauf den Reaktor endgültig ab. Der Block C des Atomkraftwerks bei Günzburg darf jedoch noch bis Ende 2021 weiterlaufen, obwohl dieser Meiler ebenfalls 1984 nur wenige Monate nach dem benachbarten Reaktor B in Betrieb gegangen war. Die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für nicht mehr benötigte Anlagenteile im Block B wurde im März 2019 erteilt.

Auf Nachfrage des BAYERNKURIER teilte der Betreiber RWE (75 Prozent gehören dem Konzern, der Rest E.ON) mit, dass bei den rückbauvorbereitenden Maßnahmen – um den notwendigen Platz für einen reibungslosen und sicheren Abbau zu erhalten – „im Kraftwerksinneren Raumbereiche freigeräumt und Zugänge geschaffen“ werden. „Dazu werden Betonwände und Setzsteine (ursprünglich als Strahlenschutzbarrieren im Einsatz) abgebaut und Komponenten abisoliert.“ Und weiter teilte RWE mit: „Die Schritt für Schritt abgebauten Anlagenteile werden so gut bearbeitet und gereinigt, dass der größte Teil anschließend in den konventionellen Wertstoffkreislauf freigegeben werden kann. Der Abriss beider Kraftwerksblöcke soll etwa bis 2040 dauern und rund 1,5 Milliarden Euro kosten.“ Bisher sind schon mehr als 1000 Tonnen Material ausgebaut worden, Overalls, Socken oder Schuhe werden in der Müllverbrennungsanlage entsorgt.

Die Brennelemente wurden aus dem Kern entladen und nach einer rund fünfjährigen Abklinglagerung im Brennelementlagerbecken sicher in Castor-Behälter verpackt. Danach kommen sie ins Standortzwischenlager des Bundes am Standort Gundremmingen.

Bald brennstofffrei: Grafenrheinfeld

2015 abgeschaltet, wird der von Preussen Elektra (ehemals E.ON Kernkraft) betriebene Reaktor KKG bei Schweinfurt „entleert“. Rund 420 Brennelemente waren Ende August bereits in Castor-Behälter verladen, weitere 180 warteten noch im Brennelementebecken. Bis spätestens Ende 2020 sollen alle ins Zwischenlager verbracht worden sein. Erste rückbauvorbereitende- und Abrissarbeiten durch leistungsstarke Sägen und Minibagger mit Meißelaufsatz laufen aber bereits. Auf rund einen Meter Länge werden die Teile gestutzt, durch Hochdruckreiniger dekontaminiert und dann recycelt oder sicher verpackt. Der Primärkreislauf wurde bereits 2016 chemisch gereinigt.

Alle strahlenden Bauteile sollen bis Ende 2033 verschwunden sein, darunter auch die Reaktordruckbehälter. Zwei Jahre später folgen auch die nicht kontaminierten Teile – darunter auch die beiden 143 Meter hohen Kühltürme. Schwach radioaktive Baureste sollen vor Ort in eine 100 Meter lange Bereitstellungshalle, bis Schacht Konrad einsatzbereit ist. Geschätzte Kosten für alle Maßnahmen: Rund 1,2 Milliarden Euro.

In den ersten vollen Produktionsjahren 1983 und 1984 war das KKG Weltmeister in der erzeugten Jahresstrommenge. Mit 10,5 Milliarden Kilowattstunden brutto wurde hier auch zum ersten Mal weltweit die Grenze von 10 Milliarden Kilowattstunden überschritten.

Isar 1 und Vizeweltmeister Isar 2

Direkt an der Isar, vierzehn Kilometer flussabwärts von Landshut, liegen die Blöcke 1 und 2 des Kernkraftwerks Isar (KKI) auf den Gemarkungen der Gemeinden Essenbach und Niederaichbach – samt ihren 165 Meter hohen Kühltürmen.

2011 abgeschaltet, wird das von Preussen Elektra betriebene Kernkraftwerk Isar 1 seit April 2017 im Inneren bereits rückgebaut. Eine riesige Bandsäge zerkleinert Anlagenteile, die dann dekontaminiert und entsorgt werden – 800 Tonnen waren es Ende Mai. Die rund 1700 Brennelemente werden in strahlensichere Castor-Behälter verpackt und ins benachbarte Zwischenlager geschafft. Ende 2019 sollte die Brennelementefreiheit erreicht, 2032 der nukleare Rückbau abgeschlossen sein. Der Abbau der Anlage mit Kosten von einer Milliarde Euro wird nach außen aber erst sichtbar, wenn es gemeinsam mit dem zweiten Block an den konventionellen Abriss geht, voraussichtlich Ende der 2030er Jahre. Die Natur wartet nicht so lange: Wanderfalken hatten sich im Frühjahr im Kühlturm eingenistet. Das Reststoffbearbeitungszentrum im früheren Maschinenhaus soll eventuell auch bei Isar 2 noch genutzt werden.

Isar 2, Vizeweltmeister in der Gesamt-Stromproduktion und zehn Mal Weltmeister in der erzeugten Jahresstrommenge aller rund 440 AKW weltweit, soll nach dem Willen der Betreiberfirma Preussen Elektra (25 Prozent gehören den Stadtwerken München) spätestens ein Jahr nach der Abschaltung am 31.12.2022 die Genehmigung zur Stilllegung und zum Abbau erhalten. Sie hat den Antrag dazu deshalb am 1. Juli 2019 beim Bayerischen Umweltministerium eingereicht. Auch hier fanden bereits Veranstaltungen zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung statt. 2027 will man brennstofffrei sein, bis 2037 nuklear und bis 2039 konventionell rückgebaut. Ob am Ende eine grüne Wiese oder eine Nachnutzung stehen wird, ist noch nicht entschieden. Noch ist die weiße Dampfwolke sichtbares Zeichen des Atomzeitalters.

Märchen für den Mainstream

Medien

Märchen für den Mainstream

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Eine mediale Elite schreibt und sendet für eine links-liberale, grüne Minderheit. Auf der Strecke bleiben bei dieser Art der Berichterstattung die Normalbürger. Eine Kritik von Hugo Müller-Vogg.

Wenn Konservative den guten alten Zeiten nachtrauern, können sie damit kaum die Medien meinen. Die Meinungsmacher in den öffentlich-rechtlichen Anstalten, bei „Spiegel“, „Zeit“ oder „Stern“ betrachteten die Welt schon immer aus linker Perspektive. Mit einem Unterschied: Früher versuchten zumindest ARD und ZDF, den Anschein von politischer Neutralität und Ausgewogenheit zu erwecken. Heute macht man sich in den Funkhäusern kaum noch die Mühe, die eigene links-grüne Schlagseite zu kaschieren.

Ein Paradebeispiel für diese öffentlich-rechtliche Parteilichkeit lieferte Anne Will am Sonntag nach den Klima-Beschlüssen der Großen Koalition. In ihrer Sendung standen einem Angeklagten, nämlich Wirtschaftsminister Peter Altmaier, gleich vier Ankläger gegenüber: die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock, die Wissenschaftler Claudia Kempfert vom SPD-nahen DIW sowie Ottmar Edenhofer (Potsdam-Institut für Klimafolgeforschung) und der stellvertretende „Zeit“-Chefredakteur Bernd Ulrich, dessen Blatt längst zum offiziösen Zentralorgan der Grünen mutiert ist. Die Moderatorin präsentierte sich als Sekundantin derer, die das schwarz-rote Klimapaket mit grünem Furor zu zerfetzen suchten. Die Schlachtordnung war also klar: ein Böser gegen vier Gute.

Journalisten als Missionare

Man darf von einer Sendung nicht auf alle öffentlich-rechtlichen Programme schließen. Doch diese „Anne Will“-Runde fügte sich harmonisch ein ins Gesamtbild. Die tonangebenden Journalisten in diesen Anstalten verstehen sich nicht als Berichterstatter, Erklärer oder Kommentatoren. Sie sehen sich eher als politische Missionare, als Überzeugungstäter, als Gesinnungsjournalisten. Das eigene Sendungsbewusstsein führt zu bewusst einseitigen Sendungen. Ein politisch einseitiges Programm wiederum sorgt beim Publikum ebenfalls für eine politische Schlagseite.

“Ohne Trennung von Nachricht und Kommentar haftet jedem Bericht etwas Manipulatives an.”

Hugo Müller-Vogg

Dies legt eine Untersuchung des Reuters Institute der Universität Oxford nahe. Die Wissenschaftler haben die Resonanz von öffentlich-rechtlichen Sendern in acht europäischen Staaten verglichen. In den meisten Ländern war die politische Zusammensetzung von Zuschauern und Zuhörern ausgewogen. Nicht so bei ARD und ZDF. Bei deren Zuschauern ermittelten die Medienforscher eine linke Tendenz. In Zahlen: 40 Prozent verorten sich als leicht links oder links von der Mitte, aber nur 26 Prozent als leicht rechts oder rechts von der Mitte. 34 Prozent bilden nach eigener Einschätzung die Mitte.

Programm für Alt-68er

Die Programmmacher bei ZDF und ARD können also da­rauf verweisen, dass links-grüne Sendungen bei der relativ größten Publikumsgruppe ankommen. Allerdings geht die Zahl der Zuschauer und Zuhörer ständig zurück. Ein wachsender Teil des potenziellen Publikums wendet sich ab oder wird – gerade bei den Jüngeren – von ARD und ZDF gar nicht mehr erreicht. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten treffen mit ihrer politischen Einseitigkeit also den Geschmack von Akademikern und Halbakademikern aus der Altersgruppe 60 plus. Ihr Programm erfreut die Alt-Achtundsechziger und ihre politisch entsprechend sozialisierten Nachkommen. Die Klebers, Hayalis, Restles, Reschkes und Hassels predigen in immer leerer werdenden Kirchen, aber ihre verbleibende Gemeinde ist umso begeisterter.

Wir leben in einer vielfältigen Medienwelt. Die Behauptungen der „Lügenpresse“-Fraktion, Zeitungen und Sender würden von der Regierung zentral gesteuert, sind blühender Unsinn. Gleichwohl gibt es eine Art mentale Gleichschaltung – im Rundfunk wie bei Print, bei den Öffentlich-Rechtlichen wie bei den Privaten. Es ist das Diktat der „Political Correctness“. Dazu bedarf es nicht eines „Bundesamts für Politische Korrektheit (BAPK)“, das festlegt, was gesagt werden darf, ohne als anstößig gebrandmarkt zu werden. Dazu reicht es, wenn die Journalisten, die sich selbst zu mehr als zwei Dritteln als links von der Mitte einordnen, sich über Korrektes und Unkorrektes, über Erwünschtes und Unerwünschtes einig sind.

Verständnis für Linksradikale

Diesen breiten Konsens gibt es. Er umfasst – um einige Beispiele zu nennen – erhebliche Zweifel an einer marktwirtschaftlichen Ordnung wie am Leistungsprinzip, die uneingeschränkte Bejahung von mehr Umverteilung, die Gleichsetzung von Ungleichheit und Ungerechtigkeit, größtmögliche Toleranz gegenüber allem, was nicht traditionellen Normen und Werten entspricht, eine gewisse Technikfeindlichkeit, die grundsätzlich positive Bewertung unbeschränkter Zuwanderung, eine ausgeprägte Skepsis gegenüber Militärischem, eine Äquidistanz gegenüber Moskau wie Washington, die scharfe Ausgrenzung von Rechtsradikalen und Rechtsextremen bei einer milderen Betrachtung von linksradikalen und linksex­tremistischen Aktivitäten, ein gewisses Verständnis für „Gewalt gegen Sachen“ und eine latente Skepsis gegenüber besonders Erfolgreichen und Reichen. Das reicht bis in den Bereich der Comedy. Witze über den Papst, Konservative oder „Nur-Hausfrauen“ sind erlaubt, solche über sexuelle Minderheiten oder Muslime grundsätzlich nicht.

“Wenn Journalisten sich aber eher als politische Akteure verstehen denn als Berichterstatter, sinkt der Stellenwert der Nachricht.”

Hugo Müller-Vogg

Die Medien haben in erster Linie zu berichten, was geschieht. Zugleich ist es ihre Aufgabe, das Geschehen einzuordnen und zu bewerten. Deshalb galt einmal das Prinzip der strikten Trennung von Nachricht und Kommentar – beim Gedruckten noch mehr als beim Gesendeten. Wenn Journalisten sich aber eher als politische Akteure verstehen denn als Berichterstatter, sinkt der Stellenwert der Nachricht. Es gibt – selbst in seriösen Zeitungen – kaum noch Nachrichten pur. Nachrichten werden sehr oft interpretiert, mit einer Meinung unterlegt, aus einem bestimmten Blickwinkel präsentiert. Wenn die Moderatoren in den „Tagesthemen“ oder im „heute journal“ einen Kommentar ankündigen, dann ist das ein Widerspruch in sich. Schließlich ist jede Ausgabe dieser „Informationssendungen“ eine einzige Abfolge von Kommentaren.

Das Umfeld für Relotius

Ohne Trennung von Nachricht und Kommentar haftet jedem Bericht etwas Manipulatives an. Dieser neue journalistische Stil führte zu Claas Relotius, dem einstigen Star-Autor des „Spiegels“ und anderer Blätter. Dessen frei erfundenen Reportagen wären nie gedruckt worden, wenn sich der Autor nicht stets im Bereich des politisch Erwünschten bewegt hätte. Das Märchen von wild gewordenen Trump-Fans, die als Hobby-Soldaten an der mexikanischen Grenze auf Flüchtlinge schießen, wurde gedruckt, weil sie ins Amerikabild der „Spiegel“-Redaktion passte. Mit einem frei erfundenen Rührstück aus dem amerikanischen Rostgürtel über eine alleinerziehende Mutter von zwei behinderten Kindern, die dank der Trump‘schen Wirtschaftspolitik endlich einen Arbeitsplatz gefunden hat, wäre Relotius nie und nimmer ins Blatt gekommen.

“Links klingt freundlicher als linksradikal und Aktivist harmloser als Gewalttäter.”

Hugo Müller-Vogg

„Sagen, was ist“ (Rudolf Augstein) setzt den richtigen Umgang mit der Sprache voraus. Wenn journalistische Missionare jedoch nach dem Motto „sagen, was sein soll“ agieren, wird mit Worten Politik gemacht. Das jüngste Beispiel für eine „politisch-korrekte“ Wortwahl ist der Begriff „Streik“ für die freitäglichen Schülerdemonstrationen. Schüler können gar nicht streiken. Sie haben keinen Arbeitgeber und sind gesetzlich zur Teilnahme am Unterricht verpflichtet. Indem die Medien auf die Arbeitskampf-Terminologie zurückgreifen, adeln sie das politisch motivierte Fernbleiben. Denn Streik ist grundsätzlich positiv besetzt. Da wehren sich Arbeitnehmer gegen Bosse und haben dabei das Grundgesetz auf ihrer Seite. So sorgen die Medien für ein Klima, das selbst den Bundespräsidenten oder die Bundeskanzlerin veranlasst, die „Streikenden“ in höchsten Tönen zu loben.

Die Sprachpolitik der Medien zeigt sich ebenfalls beim Thema politische Gewalt. Wenn Rechtsradikale jüdische Einrichtungen schänden, Ausländern Gewalt antun oder Flüchtlingsheime anzünden, dann ist – völlig zu Recht – von rechtsradikaler Gewalt oder rechtsextremistischen Tätern die Rede. Wenn Linksradikale im Zeichen des Antifaschismus, des Antikapitalismus oder der Klimarettung Häuser oder Wälder besetzen, Autos anzünden oder mit brutaler Gewalt gegen Polizisten vorgehen, werden die Täter häufig als „linke Aktivisten“ bezeichnet. Links klingt ja auch freundlicher als linksradikal und Aktivist harmloser als Gewalttäter.

Das „Wording“ als Waffe

Ist in den Medien von „links“ und „rechts“ die Rede, dann nur selten im Sinn der hergebrachten Einteilung des politischen Spektrums. Links wird stets in klarer Abgrenzung von linksradikal verwendet – und das aus gutem Grund. Bei „rechts“ gehen ARD, ZDF und die meisten Zeitungen nicht so differenziert vor. Wenn die politische Linke die Rechtsradikalen und Rechtsextremisten bekämpft, dann spricht sie stets vom „Kampf gegen rechts“. Denn bekämpft werden soll alles, was nicht links ist – eben nicht nur Rechtsextreme, Neonazis oder die AfD. Eingeschlossen werden dabei stets Konservative, CSU und Teile der CDU. Das fördert das gewünschte Feindbild: linke Demokraten gegen die „Nazis“ und ihre Sympathisanten. Diese Klassifizierung wird von den meisten Medien übernommen.

“Im medial beförderten Willkommensrausch gibt es längst keine Asylbewerber mehr, sondern nur noch Flüchtlinge, inzwischen vielfach durch Geflüchtete oder Schutzsuchende abgelöst.”

Hugo Müller-Vogg

Das „Wording“ wird auch im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Zuwanderung als politische Waffe eingesetzt. Die frühere Bezeichnung „Asylanten“ ist schon lange vor 2015 durch „Asylsuchende“ ersetzt worden. Im medial beförderten Willkommensrausch gibt es längst keine Asylbewerber mehr, sondern nur noch Flüchtlinge, inzwischen vielfach durch Geflüchtete oder Schutzsuchende abgelöst. Asylbewerber ist nach Absicht der Gralshüter der „Political Correct­ness“ als Bezeichnung ungeeignet, weil der Wortteil „Bewerber“ impliziert, dass die Bewerbung auch abgelehnt werden kann. Bei Geflüchteten denken Gutmenschen nicht mehr an Prüfung und mögliche Zurückweisung, sondern nur noch an die moralische Verpflichtung zur Hilfe. Für Schutzsuchende gilt: Einer, der Schutz sucht, verdient eher Hilfe als jemand, der sich um etwas bewirbt. Dabei geht völlig unter, dass sich unter den Flüchtlingen/Schutzsuchenden/Geflüchteten illegale Migranten befinden, die sich bewusst Leistungen erschleichen oder gar keinen Asylgrund haben.

Die Mehrheit bleibt außen vor

Zweifellos hat der Gesinnungsjournalismus die Überhand gegenüber dem Nachrichten- und Bewertungs-Journalismus gewonnen. Eine mediale Elite schreibt und sendet für eine links-liberale, grüne Minderheit. Medial abgehängt bleiben indes die Normalbürger. Das sind Durchschnittsverdiener ohne ausgeprägte ideologische oder religiöse Bindungen. Diese Bürger zählen sich nicht zu einer spezifischen Minderheit, denken nicht immer politisch korrekt und erwarten von ihrer Regierung keine Kunststücke, sondern solides, effizientes Management. Aus der Sicht der medialen Elite ist diese relative Mehrheit ein ziemlich aussichtloser Fall. Diese „Normalos“ wiederum halten von den Medien nicht mehr viel. Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen sie zwangsweise finanzieren, schalten sie aber immer seltener ein. Die Zeitungen bestellen sie ab. Es ist eine Abstimmung – mit den Augen und den Ohren.

Der Druck nimmt zu

Islam

Der Druck nimmt zu

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Zahlreiche muslimische Verbände versuchen, in Deutschland eine repressive islamistische Ordnung durchzusetzen, und gefährden so unsere freiheitliche Grundordnung. Von Prof. Susanne Schröter.

Als die türkische Armee Anfang Oktober nach Nordsyrien einmarschierte und zusammen mit ihren dschihadistischen Hilfstruppen begann, die dort ansässige Bevölkerung zu vertreiben, erging aus dem „Präsidium für religiöse Angelegenheiten“ in Ankara die Order, in allen Moscheen für den Sieg der Soldaten zu beten. Die entsprechenden Texte für die Freitagspredigten wurden gleich mitgeliefert. Ähnliches war auch schon nach dem Putschversuch im Sommer 2016 und zu Beginn des Jahres 2018 geschehen, als Präsident Recip Tayyib Erdogan die Truppen des Landes zu einem völkerrechtswidrigen Feldzug ausschickte, bei dem die syrisch-kurdische Stadt Afrin erobert wurde.

Willfährige Religionsbeamte

Bei allen genannten Ereignissen suchte Erdogan die ideologische Unterstützung seiner religiösen Beamten, die den Vorhaben der Regierung ihre islamischen Weihen nicht verwehrten. Das „Präsidium für religiöse Angelegenheiten“, das Erdogans Anweisungen stets umgehend Folge leistete, ist eine Superbehörde, die ihm unmittelbar untersteht und in vielen Staaten Dependenzen unterhält. In Deutschland heißt ihre Auslandorganisation „Türkisch-Islamische Anstalt für Religion“ und ist unter dem Akronym DITIB bekannt. Auch die DITIB erwies sich immer wieder als treuer Erfüllungsgehilfe der türkischen Regierung. In ihren Moscheen spielten Kinder in türkischen Uniformen historische Schlachten nach, besangen verschleierte Mädchen die Freuden des Märtyrertodes, verkündeten Imame Kriegspropaganda oder warnten vor der Integration. Das ist nicht verwunderlich, da die Gremien der DITIB von türkischen Beamten durchsetzt sind, türkische Religionsattachés in die einzelnen Moscheen hineinregieren und die Imame direkt aus Ankara entsandt und bezahlt werden. Gegen einzelne von ihnen wurde in den vergangenen Jahren wegen Spitzeldiensten für den Geheimdienst ermittelt. Auf Homepages der DITIB wurde zudem gegen Juden, Christen und den Westen gehetzt und in zwei Einrichtungen radikalisierten sich Jugendgruppen und schlossen sich als Terroristen dem so genannten „Islamischen Staat“ an.

Scharia als Gesetz

Solche Vorkommnisse werfen ein bezeichnendes Licht auf den Verband, der unentwirrbar mit der türkischen Staatspolitik verwoben ist und entscheidend zur Desintegration türkischstämmiger Bürger in Deutschland beiträgt. Problematisch ist, dass die DITIB dennoch auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in vielfältiger Weise mit staatlichen Behörden, Kirchen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeitet. Ihre Vertreter sitzen in Beiräten der islamischen Theologie an staatlichen Universitäten, in Rundfunkräten und fungieren als Partner beim bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht.

Auch ein zweiter großer muslimischer Verband, dessen Funktionäre in ähnlichen Kooperationen mit Politik und Gesellschaft eingebunden sind, ist hoch umstritten. Es handelt sich um die „Islamische Gemeinde Milli Görüs“ (IGMG), die der internationalen Milli Görüs-Bewegung zugerechnet wird. Diese wiederum strebt nach Angaben des Bayerischen Verfassungsschutzes die Durchsetzung einer an der Scharia orientierten Ordnung an, die mit den Prinzipien einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar ist. Milli Görüs-Gründer Necmettin Erbakan warb in der Vergangenheit in der Türkei und in Deutschland vor tausenden Anhängern für den islamischen Staat und empfahl takkiye, das Lügen für die islamische Sache, um eventuelle Widerstände klug zu umschiffen.

Abschaffung der Demokratie

Recep Tayyib Erdogan hat seine religiösen und politischen Wurzeln in der Milli Görüs-Bewegung und ist ein Zögling Erbakans. Ganz offensichtlich hatte er von seinem Mentor gelernt, als er ganz im Sinne Erbakans sagte, die Demokratie sei der Zug, auf den man aufsteige, bis man am Ziel sei. Seit er die höchste Position im Staat erklommen hat, schafft er die Demokratie in der Türkei sukzessive ab und treibt stattdessen die Islamisierung von Staat und Gesellschaft voran. Funktionäre der deutschen IGMG behaupten mittlerweile, mit beiden Beinen auf dem Grundgesetz zu stehen, doch bislang hat man aus ihren Reihen weder eine Distanzierung von Erbakan noch von Erdogan vernommen, so dass der Verdacht im Raum steht, sie betrieben takkiye wie ihre beiden Vorbilder.

Ein dritter muslimischer Großverband ist der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ (ZMD), der sich seit Jahren mit großem Erfolg als demokratische Alternative zu den beiden türkischen Gruppierungen in Szene zu setzen. Zu diesem Zweck versuchen seine Funktionäre der Öffentlichkeit zu verheimlichen, welche Organisationen sich unter seinem Dach zusammengeschlossen haben. Dazu besteht ein guter Grund, denn entgegen des aufpolierten äußeren Erscheinungsbildes hat sich hier eine Reihe höchst problematischer Vereine versammelt. Die größte Einzelorganisation ist die ultranationalistische „Union der türkischen Kulturvereine“, dessen Vorsitzender gern gegen Armenier, Kurden und Jesiden wettert, dazu kommen verschiedene Einrichtungen, die im Netzwerk der Muslimbruderschaft verortet werden.

Tarnen und täuschen

Die Bruderschaft wurde 1928 in Ägypten von Hassan al-Banna gegründet und gehört heute zur größten und einflussreichsten islamistischen Vereinigung der Welt, mit einer Vielzahl von miteinander verflochtenen Teilorganisationen. Al-Banna verfolgte die Utopie einer vollständigen Unterwerfung der gesamten Menschheit unter das Gesetz Allahs und hielt auch Gewalt und Krieg für legitime Mittel, um dieses Zeit zu erreichen. In Ägypten etablierte die Bruderschaft einen geheimen Apparat, dessen Mitglieder Anschläge auf Politiker durchführten, und auf internationaler Ebene tauchten ehemalige Muslimbrüder als Führungspersonal terroristischer Organisationen wie al-Qaida auf.

Eine Spezialität der Bruderschaft ist ihre Vernebelungsstrategie. Überall dort, wo sie sich in einer Situation der Schwäche befindet, leugnen ihre Funktionäre, dass sie zur Bruderschaft gehören, und gerade in Europa lassen sich viele Vertreter der Politik und der Kirchen davon überzeugen, dass es sich nur um fromme Muslime, nicht aber um Vertreter einer islamistischen Organisation handelt. Auch die Muslimbruderschaft praktiziert offenbar „takkiye“. Eine weitere Einzelorganisation des ZMD ist das „Islamische Zentrum Hamburg“, bei dem es sich um eine Vorfeldorganisation des iranischen Regimes handelt, das mit dem Zentrum und einer Reihe mit ihm verbundener Vereine die Politik der Mullahs in Deutschland fortsetzt. Dabei geht es vor allem um den Export der „Islamischen Revolution“ und der Prinzipien der „Islamischen Republik“, die nicht nur antiwestlich, antidemokratisch und frauenfeindlich, sondern auch dezidiert antisemitisch sind.

Religiöses Mobbing

Vertreter der drei vorgestellten muslimischen Dachverbände sowie anderer Gruppierungen des politischen Islam versuchen zurzeit, islamische Normen in der deutschen Gesellschaft zu implementieren. Das Ergebnis kann man beispielsweise in Schulen beobachten. Dort untersagen muslimische Eltern ihren Kindern die Teilnahme am koedukativen Schwimm- und Sportunterricht sowie an Klassenfahrten. Schon jetzt weigern sich Mädchen in Grundschulen, neben Jungen zu sitzen und tragen ein Kopftuch, weil ihnen beigebracht wurde, dass sie andernfalls nach dem Tod in der Hölle enden würden.

Religiöses Mobbing nimmt zu. Es trifft nichtmuslimische Kinder, die als Ungläubige beschimpft werden, aber auch muslimische Kinder, die sich den Spielregeln nicht unterwerfen, die in den Moscheen verkündet werden. Der Druck während des Ramadans zu fasten, am Freitag in die Moschee zu gehen und keine Freundschaft mit nichtmuslimischen Mitschülern einzugehen wächst stetig. Lehrerinnen klagen über Beleidigungen und Respektverweigerung, fürchten Beschwerden, wenn bei Ausflügen Kirchen besichtigt werden oder christliche Feiern stattfinden. In vielen Kantinen gibt es kein Schweinefleisch mehr und in einigen Schulen haben muslimische Eltern durchgesetzt, dass Fleisch nur noch aus islamkonformen Metzgereien von geschächteten Tieren bezogen wird. Diese Entwicklung führt ebenso zu Dauerkonflikten wie die permanenten Versuche, das staatliche Neutralitätsgebot auszuhebeln. Kopftuchtragende Frauen, die sich häufig als muslimische Verbandsfunktionärinnen entpuppten, klagten wiederholt ihr vermeintliches Recht ein, mit einem sichtbaren Zeichen ihres religiösen Bekenntnisses staatliche Repräsentationsaufgaben zu übernehmen. Mittlerweile haben wir sogar vermehrte Fälle von Frauen, die mit Gesichtsschleier an universitären Seminaren teilnehmen oder sogar Prüfungen ablegen wollten.

Immer dann, wenn die zielgerichtete Durchsetzung islamischer Normen auf Widerstand stößt, versuchen die Vertreter des politischen Islam ihr Gegenüber mit dem Vorwurf der „Islamophobie“ oder des „antimuslimischen Rassismus“ mundtot zu machen. Kritik am Islamismus wird dabei wahlweise als Krankheit oder als Menschenfeindlichkeit denunziert. Umso bedauerlicher ist es, dass die „Deutsche Islamkonferenz“ jüngst eine Tagung in diesem Sinne durchführte und ausgerechnet einem Funktionär der DITIB eine Bühne bot.

"Der elende Rest"

Die Linke

„Der elende Rest“

Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall lebt die SED in der Partei Die Linke weiter. Personell und ideologisch. Die Gefahr, die von sozialistischen Träumereien ausgeht, ist noch lange nicht gebannt. Aus dem BAYERNKURIER-Magazin.

Dreißig Jahre nach dem Ende von 40 Jahren übelster sozialistischer DDR-Diktatur, geführt von der Sozialistischen Einheits­partei Deutschlands (SED), wird politischer Extremismus zum Glück bekämpft. Also Rechtsextremismus. Radikale Linke dagegen werden verharmlost.

„Wer nach 30 Jahren Einheit die Linke immer noch als ‚SED-Erben’ bezeichnet, hat nichts verstanden und gelernt“, twitterte im August ARD-Chefredakteur Rainald Becker. NDR-Kollege Michael Weidemann bejubelte die Linke gar als „Bereicherung“ der Demokratie. Leider irren diese beiden Aushängeschilder des objektiven Journalismus. Und das nicht nur, weil sich die Linkspartei die SED-Rechtsnachfolge 2009 sogar in einem Prozess gerichtlich erstritten hat.

Denn auch ihr ideologisches Erbe lebt in der Linken fort – und das führte und führt dazu, dass bis heute immer noch Teile von ihr vom Verfassungsschutz beobachtet werden. So harmlos kann sie also nicht sein.

Alles Demokraten?

Eigenartiges ist festzustellen, wenn man den Verfassungsschutzbericht des Bundes mit denen der Länder vergleicht. Während der Bund immerhin sieben zur Linkspartei gerechnete Teilgruppen in einem eigenen Kapitel (das es seit 1995 gibt) aufzählt, stehen diese Gruppen zumindest teilweise nur noch in den fünf Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie Sachsen unter Beobachtung. Unerklärlich.

Die PDS als rechtlicher Vorgänger der Linkspartei wurde als Partei seit den 90er-Jahren vom Bundesamt für Verfassungsschutz und den Länderbehörden beobachtet. 2008 war es das Saarland, das als erstes westdeutsches Bundesland mitteilte, die Beobachtung auch von Teilen der Partei einzustellen. Der saarländische Verfassungsschutzpräsident Helmut Albert begründete dies laut „Saarbrücker Zeitung“ damit, dass es nun keine Anhaltspunkte mehr für ein verfassungswidriges Wirken der Linken gebe. Den „letzten Baustein“ zu dieser Entscheidung habe die Fusion der PDS/Linkspartei mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) 2007 geliefert, weil dort die Linkspartei von der WASG „übernommen worden“ sei, so Albert naiv.

“Ich bezweifle, ob die Linke überhaupt auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.”

Heribert Rech, CDU

Der damalige baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) widersprach mit deutlichen Worten: „Ich bezweifle, ob die Linke überhaupt auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.“ Was auf dem Vereinigungsparteitag von WASG und Linkspartei gesagt wurde, sei aus seiner Sicht „erschreckend“. Der damalige niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ordnete sogar eine verstärkte Beobachtung der Partei an, da sie nun „gemeinsame Sache mit gewaltbereiten Autonomen und mit Kommunisten mache, die früher für das Unrechts­regime der SED, für Mauer und Schießbefehl, verantwortlich gewesen sind“.

Kotau von SPD und Grünen

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes untersagte 2013 schließlich die Beobachtung von Bundestagsabgeordneten der Linkspartei als unverhältnismäßig, sogar, wenn diese nur mit Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen ausgeführt wurde. Dies war aber nur der Besonderheit ihres Abgeordnetenstatus geschuldet.

“Teile der Linkspartei sind klar verfassungsfeindlich und prägen die Partei in ihrer gesamten Ausrichtung.”

Joachim Herrmann, CSU, 2013

In Niedersachsen, da entschuldigten sich daraufhin SPD und Grüne in ihrer Koalitionsvereinbarung im Punkt „Neustart des Verfassungsschutzes“ für die Beobachtung: „Die rot-grüne Koalition wird die parteitaktisch motivierte Be­obachtung der Gesamtpartei ‚die Linke‘ (…) beenden.“ Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sah das ganz anders: „Ich halte die Beobachtung der Partei die Linke durch den Verfassungsschutz für richtig und notwendig. Teile der Linkspartei sind klar verfassungsfeindlich und prägen die Partei in ihrer gesamten Ausrichtung.“

Unvereinbar

Muss man sich bei der Linkspartei für die Beobachtung entschuldigen? Sicher nicht!

Bei der Beurteilung der Verfassungswidrigkeit der Linken muss man die DDR-Tätigkeit als Stasi-Spitzel oder SED-Funktionär eines Teils der Linken-Politiker ausblenden, denn sie spielt dafür heute keine Rolle mehr. Auch die Verharmlosung und Reinwaschung der sozialistischen Diktatur ist dafür nicht relevant. Nur ein Indiz bleibt: Solche Tätigkeiten lassen auf eine undemokratische Gesinnung schließen.

Laut den Verfassungsschützern lagen in den Jahren bis 2009 „zahlreiche Indikatoren für linksextremistische Bestrebungen innerhalb der Partei vor“. Linksextremistische Gewalt werde zumindest toleriert – offene extremistische Zusammenschlüsse innerhalb der Partei würden gefördert. Und das Wichtigste: Diese Gruppen wollten die herrschende Staats- und Gesellschaftsordnung abschaffen.

“Sowohl die proletarische Revolution als auch der Staat der Diktatur des Proletariats sind mit der freiheitlichen demokratischen Ordnung unvereinbar.”

Bundesverfassungsgericht, 1956

Schon im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 1956 zum KPD-Verbot stand über den Sozialismus als Vorstufe zum Kommunismus: „Sowohl die proletarische Revolution als auch der Staat der Diktatur des Proletariats sind mit der freiheitlichen demokratischen Ordnung unvereinbar.“ Der Wesenskern des Grundgesetzes könne dabei nicht aufrechterhalten werden. „Da eine Klasse und eine Partei den Staat führen, ist naturgemäß die von dieser Partei gestellte Regierung nicht abberufbar.“ Zudem könne es Mehrparteiensystem und Opposition, verantwortliche Regierung und effektive Gewaltentrennung mit dem Ziel des Schutzes gegen Willkür im Sozialismus nicht geben. „Für wirkliche politische Meinungsfreiheit, für freie Wahlen und echte parlamentarische Entscheidungen besteht weder Möglichkeit noch Bedürfnis.“

In der Rechtsprechung zu Parteienverboten hat sich zwar seit damals einiges geändert, aber diese Kernaussagen zum Sozialismus sind auch heute noch gültig – wie auch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes 2010 darlegte. Und das würde bedeuten: Jeder, der den Kommunismus einführen will, verfolgt verfassungsfeindliche Ziele.

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Bundes 2018 widmet denn auch den „extremistischen Strukturen der Partei die Linke“ ein eigenes Kapitel. Es werden sieben Teile der Linkspartei aufgeführt. Im Verfassungsschutzbericht Bayerns zum 1. Halbjahr 2018 wird zudem die linksjugend/solid unter den linksextremistischen Organisationen aufgelistet.

Das Ziel: Eine andere Gesellschaftsordnung

Die „Kommunistische Plattform“ ist mit rund 1.200 Mitgliedern der stärkste extremistische Zusammenschluss in der Linken, so steht es in dem Bericht. Ziel der KPF sei „die Überwindung des Kapitalismus als Gesellschaftsordnung und der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft“. Dahinter folgt mit rund 1.000 Mitgliedern die „Antikapitalistische Linke“ (AKL). Auch sie fordert laut Bundesamt für Verfassungsschutz einen „grundsätzlichen Systemwechsel“ sowie die Überwindung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Mitglieder der AKL strebten Funktionen in der Linkspartei an und versuchten – auch über das Einreichen von Anträgen – den ideologischen Kurs der Partei zu beeinflussen.

“Sie sind der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde.”

Wolf Biermann

Die „Sozialistische Linke“ (SL; 836 Mitglieder) wird im Wortlaut als „extremistischer Zusammenschluss“ eingestuft, mit ähnlichen Zielen und einem ähnlichen DDR-Bild wie die AKL. Auch sie suchten Einfluss und Ämter. Exotisch mutet die „AG Cuba Si“ (536 Mitglieder) an. Sie tritt für die „uneingeschränkte politische und materielle Solidarität“ mit der kubanischen kommunistischen Diktatur ein. „Die dortige kommunistische Gesellschaftsordnung wird glorifiziert; eine kritische Auseinandersetzung mit den Menschenrechtsverstößen der kubanischen Regierung findet in der Regel nicht statt“, schreibt der Verfassungsschutz. Die AG unterhält rege Kontakte mit Kuba, aber auch mit anderen „sozialistischen Staaten wie beispielsweise Venezuela“.

Ähnliche Formulierungen und Ziele finden sich auch bei den drei weiteren von der Linkspartei zum Teil nicht anerkannten Zusammenschlüssen „Marxistisches Forum“, „Geraer/Sozialistischer Dialog“ und „marx21“. „Insgesamt gehören diesen Zusammenschlüssen mehr als 3.000 Personen an, die versuchen, im Sinne der extremistischen Programmatik Einfluss auf die politische Meinungsbildung in der Partei die Linke zu nehmen“, schreibt der Verfassungsschutz.

Rücksichtslose Revolutionäre

Auch einzelne Mitglieder der Linkspartei werden immer wieder auffällig mit Gedankengut, das sich nicht oder nur schwer als im Sinne des Grundgesetzes beschreiben lässt: darunter Geburtstagsgrüße an brutale Diktatoren wie Fidel Castro, Unterstützungsaufrufe für die Terrorgruppe Hamas oder das Mitmarschieren in Bündnissen, in denen sich zahllose Linksex­tremisten tummeln.

Jedes Jahr ehrt die Linke zudem die 1919 ermordeten Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Beide waren jedoch keinesfalls Demokraten, sondern „rücksichtslose

Revolutionäre“ für eine „Diktatur des Proletariats“, die „den bolschewistischen Staatsstreich“ planten, wie die Zeitung „Die Welt“ 2019 schrieb.

Beispielhaft auch die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die früher zum „Sprecher*innenrat“ der AKL gehörte und Mitglied bei der Roten Hilfe (RH) ist, eine Gruppe, die linke Straftäter finanziell unterstützt. Die RH wird vom Verfassungsschutz als „linksextremistische“ Gruppe eingestuft, die Gewalt rechtfertigt und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agiert. Die RH bekundete sogar Solidarität mit den gesuchten RAF-Terroristen Daniela Klette, Volker Staub und Burkhard Garweg: „Lasst Euch nicht erwischen.“ Jelpke kritisierte auch die „Dämonisierung“ der Stasi, ruderte später halbherzig zurück.

“Das sind zum Teil die harmlosesten Leute, die ich kenne.”

Gregor Gysi

Oder der langjährige Linken- Frontmann Gregor Gysi, der 1989 dafür kämpfte, dass sich die SED nicht auflöste, deren Mitglied er seit 1967 war. Er sagte 2015 im Interview mit der „Huffington Post“: „Der Rechtsextremismus wendet sich immer gegen Schwache, der Linksextremismus gegen Starke. Ich verurteile Gewalt. Aber ich mache da einen Unterschied. Es ist eine ganz andere Herausforderung, Starke anzugehen.“ Ein Unterschied zwischen „guter“ linksextremer und „böser“ rechtsextremer Gewalt? Das widerspricht dem Gewaltmonopol des Staates grundlegend. Gysi kritisierte zudem die Einschätzung des Verfassungsschutzes, es gebe in der Linken linksextremistische Strömungen: „Ich halte das für Quatsch, was die da feststellen. Das sind zum Teil die harmlosesten Leute, die ich kenne.“

Sozialismus ist immer mit Gewalt verbunden

Wirklich? Alles Anhänger einer harmlosen Ideologie? Die Historie zeigt anderes: Jedes sozialistische Experiment ist bisher gescheitert und endete stets im Totalitarismus, alle zusammen kosteten mehr als 100 Millionen Menschenleben. Der tschechisch-schweizerische Politiker Karl zu Schwarzenberg warnte einst: „Ein der menschlichen Natur so widersprechendes Ideal wie das des Kommunismus geht nicht zu verwirklichen ohne Gewalt.“

Wie es weitergeht mit den „Harmlosen“? Angesichts einer Ipsos-Umfrage 2018 zum 200. Geburtstag von Karl Marx, in der 45 Prozent der Deutschen sagten, dass sozialistische Ideale von großem Wert für die Gesellschaft seien, wird auch die SED-PDS-Linke weiterleben. So irrte vermutlich der 1976 aus der DDR ausgebürgerte Liedermacher Wolf Biermann 2014 im Bundestag, als er sagte, die Abgeordneten der Linkspartei seien „der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde“.

Wo sollen Sie alle leben?

Demografie

Wo sollen sie alle leben?

Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Die neue UN-Bevölkerungsprojektion geht von rasanten Wachstumsraten aus – vor allem in Afrika, aber auch in Ländern wie Afghanistan. Auf die möglichen Auswirkungen ist Europa nur schlecht vorbereitet.

Wer den Bürgerkrieg in Syrien verstehen will, der muss sich durch das bildschirmsprengende meterlange Excel-Zahlenwerk der jüngsten UN-Bevölkerungsprojektion 2019 kämpfen. Die Mühe lohnt und verhilft sogar zum Blick in die Zukunft. Eine Warnung: Optimismus kann dabei nicht aufkommen.

Und nun zu Syrien: Unkomplizierte 3,4 Millionen Einwohner zählte die Republik Syrien im Jahr 1950. 60 Jahre später, 2010, waren es 21,3 Millionen – mehr als sechs Mal so viele. Wenn Deutschland im gleichen Zeitraum genauso stark gewachsen wäre, dann hätte es heute, legt man die UN-Zahlen zugrunde, ungemütliche 440 Millionen Einwohner.

Das Problem in Zahlen

In den Zahlen steckt fast die ganze düstere syrische Geschichte: Bevölkerungswachstum, das jedes Wirtschaftswachstum auffrisst, stagnierende Pro-Kopf- Einkommen, Massen analphabetischer junger Leute ohne Aussicht und Auskommen, wilde Brunnenbohrungen, zerstörte Wasseradern, verarmende Landbevölkerung, Flucht zu den Stadträndern, islamische Radikalisierung; Terror hilfloser Diktatoren – bis zum Bürgerkrieg.

Wie es jetzt weitergeht in dem zerstörten Bürgerkriegsland? Auch das lässt sich an der UN-Bevölkerungsprojektion ablesen. 17,5 Millionen Einwohner zählt Syrien heute. Bis zum nicht mehr fernen Jahr 2030 werden es schon wieder 26,6 Millionen sein und 33,1 Millionen bis zum Jahr 2050. Um die Jahrhundertwende soll es 36 Millionen Syrer geben – oder 52 Millionen, wenn eine weniger konservative UN-Pro­gnose recht behält. Wovon sie alle leben sollen, ist offen.

Wachstum in der Wüste

Von beängstigenden Entwicklungen kündet denn auch die aktuelle UN-Bevölkerungsprojektion – vor allem auf Europas Nachbarkontinent: Afrika. Das zeigt etwa das Beispiel Niger. 1950 lebten in dem west­afrikanischen Sahelzonenland 2,5 Millionen Menschen. Heute sind es 24 Millionen – fast zehn Mal so viele. In einem Land, das zu zwei Dritteln aus Sahara besteht. In dem man bei guter Regierung und bei gutem Wetter, was Niger beides nicht hat, vielleicht zehn Millionen Menschen ernähren könnte. Aber eben nicht 24 Millionen oder 35 Millionen, die das Land im Jahr 2030 haben wird. Nicht geredet von 65 Millionen oder 165 Millionen, die die UN für 2050 und für 2100 annimmt – 215 Millionen nach der höheren Schätzung. Die UN-Bevölkerungszahlen für Niger sind real und surreal zu gleich. Real, weil es die Frauen und Mädchen, die die vielen Kinder bekommen werden, schon gibt. Die UN-Prognose stimmt rechnerisch. Surreal sind die Zahlen, weil im Wüstenland Niger natürlich niemals 65 oder 165 oder gar 215 Millionen Menschen leben könnten. Die werden woanders leben müssen – oder gar nicht. Wozu die UN-Prognose schreibt: „Anhaltendes schnelles Bevölkerungswachstum stellt eine Herausforderung für nachhaltige Entwicklung dar.“ So kann man das auch formulieren.

Der Trend in Schwarzafrika

Was für Niger gilt, gilt ähnlich für ganz Schwarzafrika, warnt die UN. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung von heute 7,7 Milliarden auf 9,7 Milliarden wachsen. Mehr als die Hälfte dieses Wachstums um zwei Milliarden Menschen findet allein in Subsahara-Afrika statt – von heute 1,06 Milliarden auf 2,1 Milliarden im Jahr 2050. Bis zum Jahr 2100 wird die Zahl der Schwarz- afrikaner um noch einmal 1,6 Milliarden auf knapp 3,8 Milliarden wachsen – oder auf 5,1 Milliarden nach der höheren UN-Schätzung. Und wieder ist klar: Ein großer Teil dieser zusätzlichen Milliarden wird in diesem Schwarzafrika nicht leben können. Jedenfalls nicht zu heutigen Bedingungen. Eine erwartbare Folge: Völkerwanderungen von Dutzenden und Hunderten von Millionen.

Wer wissen will, was da schon in den wenigen Jahren bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts auf Europa zukommt, muss wieder die UN-Bevölkerungsprojektion studieren, Land für Land. Demografische Entwicklungen in Milliarden und Prozenten bleiben abstrakt. Aber Zuwächse in absoluten Millionenzahlen, Land für Land, machen das Problem konkret, beunruhigend konkret. Etwa wenn man jene Länder in den Blick nimmt, aus denen laut Bundesanstalt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) schon heute die meisten Migranten nach Deutschland kommen.

Mit mehr als 10.000 Asylanträgen im Jahr 2018 hat sich Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichstes Land, auf Rang vier der Bamf-Liste geschoben, Tendenz steigend. 1950 zählte Nigeria 37,8 Millionen Einwohner. Heute sind es 200 Millionen oder gut fünf Mal so viele.

Allein in den kurzen elf Jahren bis 2030 werden noch einmal 62 Millionen Nigerianer dazukommen. Bis 2050 sage und schreibe 200 Millionen. 401 Millionen Menschen wird das Land dann zählen. Im Jahr 2100 sollen es 732 Millionen sein – oder 984 Millionen, wenn die höhere UN-Schätzung recht behält. Völlig klar: Mit Stabilität darf in Nigeria niemand rechnen, nicht in den nächsten Jahren und nicht in den nächsten Jahrzehnten.

Alarmierende Prognosen

Ebenfalls weit oben auf der Bamf-Rangliste stehen die ostafrikanischen Länder Eritrea und Somalia. Eritrea zählte 1950 ganze 800.000 Einwohner. Heute sind es 3,5 Millionen, mehr als vier Mal so viele. Bis 2030 wird Eritreas Bevölkerung um 700.000 auf 4,2 Millionen und bis 2050 auf sechs Millionen anwachsen. Bis zum Jahr 2100 rechnet die UN mit gut 9 oder gar 12,7 Millionen Eritreern.

Wieder regelrecht alarmierend sind die UN-Zahlen für das ostafrikanische Warlord-Land Somalia. 1950 zählte das Land am Horn von Afrika 2,2 Millionen Somalier. Heute sind es 15,5 Millionen, fast sieben Mal so viele, was die Zustände dort erklärt. In den nächsten zehn Jahren werden sechs Millionen Somalier hinzukommen, bis zum Jahr 2050 sogar 20 Millionen. Dann wird der bettelarme, gescheiterte Staat 35 Millionen Menschen zählen. Bis zur Jahrhundertwende sollen es 75 Millionen Somalier sein oder 101 Millionen nach der höheren UN-Schätzung. Auch diese Zahlen sind zugleich real und völlig irreal. Auch sie künden von noch mehr Chaos und noch mehr Gewalt: Die Massenflucht der Somalier hat wahrscheinlich noch gar nicht richtig begonnen.

Bevölkerungszuwachs im Krieg

Um einmal konkret vorzurechnen, was schon bald aus Afrika auf Europa zukommen kann: Allein die vier Sahelzonen-Länder Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad werden schon in den kommenden zehn Jahren um 31,6 Millionen Einwohner wachsen, bis 2050 um 104,6 Millionen. Ganz Subsahara- Afrika wird wieder nur in den kommenden zehn Jahren um mehr als 330 Millionen Einwohner zulegen. Und das sind, wie gesagt, nur die Zuwächse.

Zum Vergleich: Syrien hatte zu Beginn des Bürgerkrieges eine Gesamtbevölkerung von nur 21 Millionen. Das genügte, um eine Flüchtlingskrise auszulösen, die Europa noch immer erschüttert. Was nur bedeutet: Die wirkliche Flüchtlingskrise könnte den Europäern noch bevorstehen. Das zeigt auch der Blick auf einen nichtafrikanischen Bamf-Asyl-Spitzenreiter: Afghanistan. 1950 zählte das Land am Hindukusch genau 7,5 Millionen Menschen. Heute sind es 38 Millionen. Interessant: 2001 waren es „nur“ 21 Millionen, was bedeutet: In 17 Jahren Afghanistan-Krieg ist die Bevölkerung dort um 17 Millionen gewachsen – um 75 Prozent. Und so geht es weiter: Schon bis 2030 werden der UN-Projektion zufolge noch einmal zehn Millionen Afghanen hinzukommen, bis 2050 fast 30 Millionen. Afghanistans Bevölkerung wird dann 64,4 Millionen betragen.

Die Zahlen arbeiten den Taliban zu. Stabilisierung steht in Afghanistan wohl nicht auf dem Programm, genauso wenig im zunehmend radikalislamischen Nachbarland: der Atommacht Pakistan. Dessen Bevölkerung hat sich seit 1950 von 37,5 Millionen auf heute 216,5 Millionen fast versechsfacht. Und so geht es auch dort weiter: Bis 2030 werden laut UN-Prognose 46,4 Millionen Pakistaner hinzukommen, bis 2050 gar 121,5 Millionen. Zur Jahrhundertwende wird sich Pakistans Bevölkerung gegenüber heute auf 403 Millionen verdoppelt haben.

Millionen wollen weg

Fast 40 Prozent der Afrikaner denken darüber nach auszuwandern. Das brachte im vergangenen März eine große Umfrage der panafrikanischen Forschungsinstitution Afrobarometer zutage. Das Forschungsnetzwerk hatte dazu in 34 afrikanischen Ländern etwa 45.000 Afrikaner befragt. Drei Prozent der Befragten hatten schon konkrete Pläne. Nach heutigen Bevölkerungszahlen wären drei Prozent etwa 40 Millionen Menschen.

Noch wollen der Umfrage zufolge ein Drittel der potenziellen Migranten in der Region bleiben, in Afrika. Tatsächlich hat etwa Südafrika für afrikanische Binnenmigranten jahrzehntelang sozusagen als Überlaufbecken fungiert. Das endet jetzt. Südafrika kann nicht mehr und will nicht mehr. Aber  Afrikas Bevölkerungsexplosion geht weiter, immer schneller und wird sich Luft verschaffen – außerhalb Afrikas. Da kommen nur zwei Regionen in Frage: das ferne Amerika und das nahe Europa

Hat es die DDR nie gegeben?

Zeitgeschichte

Hat es die DDR nie gegeben?

Gastbeitrag Dreißig Jahre nach der friedlichen Revolution in Ostdeutschland droht die Erinnerung an die Verbrechen der sozialistischen Diktatur aus der Erinnerung zu verschwinden. Eine Mahnung gegen das Vergessen von Hubertus Knabe.

Geschichte wiederholt sich nicht – heißt es. Und doch hat man den Eindruck, manches schon einmal erlebt zu haben. 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution in Ostdeutschland erinnert der Umgang mit der DDR immer mehr an Zeiten, als es in Westdeutschland Mode war, den sozialistischen Staat als Alternative zur Bundesrepublik zu betrachten. Entgegen ihrem Selbstbild, die finsteren historischen Epochen gründlich aufgearbeitet zu haben, haben die Deutschen offenbar nur wenig aus ihrer Geschichte gelernt.

Vor dem Sturz der SED-Diktatur war es in der Bundesrepublik vielfach en vogue, für den Sozialismus zu sein – was es, vor allem bei SPD und Linken, auch heute wieder ist. Deutliche Kritik an den Zuständen in der DDR wurde damals hingegen gern als „rechts“ abgestempelt – was heutzutage unter anderem die staatlich alimentierte Amadeu Antonio Stiftung wieder tut. In vielen Bundesländern wurden die Lehrer überdies dazu angehalten, „vorurteilsfrei“ über den zweiten deutschen Staat zu unterrichten. Heute meinen viele Schüler, in der DDR hätte es freie Wahlen gegeben und die Stasi sei ein ganz normaler Geheimdienst gewesen – wenn sie denn überhaupt noch wissen, was die drei Buchstaben D-D-R bedeuten.

“Eine der folgenschwersten Weichenstellungen war es, dass die ehemalige Staatspartei der DDR weder aufgelöst noch verboten wurde.”

Hubertus Knabe

Und was in den 1970er- und 1980er-Jahren das nur noch formelhafte Gedenken an den Volksaufstand am 17. Juni war, das könnte in diesem Jahr die Erinnerung an 30 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall werden. Dass das Jubiläum von den Spitzen des Staates mehr als Pflichtübung wahrgenommen wird, konnte man unter anderem daran erkennen, dass das Bundeskabinett erst im April eine Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ einberief. Um zu verstehen, warum die Erfahrung der 40-jährigen SED-Diktatur nicht zu einem ähnlichen Bruch wie beim Nationalsozialismus geführt hat, muss man vermutlich weiter ausholen. Denn die Ursachen dafür liegen auf verschiedenen Ebenen, zum Teil reichen sie weit in die Geschichte zurück.

Schönfärber im Westen

Da ist zum einen, dass die „Deutschen Irrtümer“, wie der Politologe Jens Hacker sein Buch über die Schönfärber und Helfershelfer der SED-Diktatur im Westen genannt hat, nie aufgearbeitet wurden. Weder Politiker noch Journalisten, weder Gewerkschaftsbosse noch Hochschullehrer wollten nach 1989 an ihre peinliche Anbiederung an die DDR erinnert werden. Die SPD brachte es sogar fertig, diese als Wurzel der Friedlichen Revolution zu verkaufen.

Auch die Eliten im Osten scheuten vor einer fundamentalen Abrechnung mit der SED- Diktatur zurück. Die meist kirchlich geprägten Bürgerrechtler wollten lieber Versöhnung und hielten den Sozialismus lange Zeit für das bessere System. Die Blockparteien, die mit den West- Parteien fusionierten, passten sich zwar in Windeseile an, fürchteten aber, bei einem radikalen Bruch mit der Vergangenheit mit auf der Anklagebank zu landen. Die Funktionäre und die von ihnen gehätschelte Führungsschicht hatten naturgemäß erst recht kein Interesse, den Sozialismus zu verdammen. So kam es, dass der früh einsetzenden Verklärung der DDR nur wenig Widerstand entgegengesetzt wurde.

“Ob Schulen, Polizeistationen, Behörden: Die Opfer trafen überall auf altbekannte Gesichter.”

Hubertus Knabe

Eine der folgenschwersten Weichenstellungen für diesen Prozess der geistigen Restauration war es, dass die ehemalige Staatspartei der DDR weder aufgelöst noch verboten wurde. Der ehemalige SPD-Fraktionschef in der ostdeutschen Volkskammer, Richard Schröder, behauptete später, dies sei unterblieben, weil es die Zustimmung der Sowjetunion zur Wiedervereinigung gefährdet hätte. Belege dafür nannte er nicht. Der Oberste Sowjet hatte selber am 29. August 1991 die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) mit ihren über 19 Millionen Mitgliedern verboten und aufgelöst. Mindestens ebenso wichtig wie die Nachsicht der SED-Gegner war freilich die Entschlossenheit der DDR-Funktionäre, die Partei, die ihnen bis dahin den Lebensunterhalt gesichert hatte, vor dem Untergang zu bewahren. Vor allem der heutige Linken-Abgeordnete Gregor Gysi, der sich im Dezember 1989 zum Vorsitzenden der SED wählen ließ, sorgte damals dafür, dass die Partei nicht auseinanderfiel, sondern sich bloß umbenannte. So kam es, dass die gestürzte Diktaturpartei von Anfang an das politische Klima im wiedervereinigten Deutschland vergiftete.

Zu den Folgen dieser Entscheidung zählte nicht nur, dass die SED mit hoher krimineller Energie ihr Milliardenvermögen beiseiteschaffte, auch die Mitgliederkartei und die Akten ihrer 55.000 Nomenklaturkader wurden komplett vernichtet. Vor allem aber nutzten die Funktionäre ihre überlegene Ausgangsstellung im Osten dazu, um sich einen Platz im neuen politischen System der Bundesrepublik zu sichern. Mit ihrem Geld, ihrem Apparat und ihrem Personal schürten sie hemmungslos die Unzufriedenheit vieler Ostdeutscher über die sozialen Folgen der Friedlichen Revolution. Mit wachsendem Erfolg stilisierten sie sich dabei zum Sprachrohr des Ostens und agitierten gegen das wirtschaftliche und politische System der Bundesrepu­blik – obwohl sie selbst die DDR in den Untergang geführt hatten.

Aufstieg der PDS

Anders als Helmut Kohl und viele andere Politiker dieser Zeit annahmen, erledigte sich die PDS, wie die SED seit 1990 hieß, nicht von allein. Im Gegenteil: Hatte die Partei bei der letzten Volkskammerwahl noch 16,4 Prozent erzielt, konnte sie ihre Wahlergebnisse in der Folgezeit kontinuierlich steigern. Innerhalb eines Jahrzehnts wuchs ihr Anteil in Brandenburg von 18,7 (1994) auf fast 28 Prozent (2004). In Sachsen nahm sie im selben Zeitraum von 16,5 auf 23,6 Prozent zu, in Thüringen und Sachsen-Anhalt sah es ähnlich aus. Die Wahlerfolge spülten nicht nur frisches Geld in die Kassen der Partei, sondern gaben ihr auch wieder größere Möglichkeiten, Seilschaften und Vorfeldorganisationen zu unterstützen. Zu den Folgen zählte, dass zahlreiche ehemalige SED-Funktionäre und Stasi-Mitarbeiter in die Parlamente einzogen – wo sie oftmals bis heute sitzen und zum Teil sogar über die Regierungspolitik mitentscheiden.

“In Deutschland sind weder das Zeigen der Symbole des SED-Staates noch dessen Verherrlichung verboten.”

Hubertus Knabe

Damals, um die Jahrtausendwende, erlebte Deutschland eine geradezu bizarre Welle der DDR-Nostalgie. Ehemalige Systemträger wie Gregor Gysi oder der Chef der DDR-Spionage, Markus Wolf, bevölkerten jetzt wie selbstverständlich die Talkshows. Auch DDR-Museen und Ostalgie-Shops schossen wie Pilze aus dem Boden. Politiker und Journalisten begannen plötzlich, die „Vorteile“ der SED-Diktatur herauszustellen, von der die Bundesrepublik angeblich noch lernen könnte.

Ostalgie im Fernsehen

Höhepunkt waren die sogenannten Ostalgie-Shows im Sommer 2003. Die frühere DDR- Eiskunstläuferin Katarina Witt erlangte dabei nachhaltige Berühmtheit, weil sie vor laufenden Kameras in der Uniform der Jungen Pioniere auftrat. ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel ging noch weiter und rief mit erhobener Faust vor fast fünf Millionen Zuschauern aus: „Für Frieden und Sozialismus – seid bereit!“, woraufhin die Zuschauer im Chor erwiderten: „Immer bereit!“.

Dieser – zurückhaltend formuliert – nachsichtige Umgang mit der zweiten Diktatur auf deutschem Boden hatte vielfältige Folgen. Zu den Konsequenzen gehört unter anderem, dass in Deutschland weder das Zeigen der Symbole des SED-Staates noch dessen Verherrlichung verboten sind. Im Unterschied zu den meisten anderen post-sozialistischen Staaten darf in der Bundesrepublik jeder mit den Hoheitszeichen der DDR auf dem T-Shirt herumlaufen. Man kann sogar mit Hammer und Sichel und rotem Stern für die Wiedereinführung des Kommunismus demonstrieren und Massenmörder wie Josef Stalin oder Mao Tse-tung hochleben lassen. Dabei war die DDR-Fahne in Westdeutschland schon einmal verboten und die Symbole von KPD und FDJ sind es bis heute – nur bestraft wird dafür keiner.

Straffreiheit für die Stasi

Straffrei gingen auch die meisten Verantwortlichen für das SED-Regime aus. Obwohl es in der DDR über 200.000 politische Gefangene gab, Zehntausende Häftlinge misshandelt und über 1.000 Flüchtlinge an den Grenzen erschossen oder schwer verletzt wurden, kamen lediglich 40 Täter in Haft – die meisten für kurze Zeit. So mussten von den 22 Politbüromitgliedern nur fünf eine Gefängnisstrafe absitzen, keiner länger als vier Jahre. Von den 92.000 Mitarbeitern des gefürchteten Staatssicherheitsdienstes wurde praktisch überhaupt keiner verurteilt, sodass dessen letzter Chef, Wolfgang Schwanitz, schon vor Jahren verkündete, sie seien „juristisch rehabilitiert“. Schuld daran waren nicht nur mild gestimmte Richter, sondern auch die Unterhändler des Einigungsvertrages, die festlegten, dass das SED-Unrecht nur nach SED-Recht bestraft werden durfte.

“Viele Opfer stehen heute schlechter da als ihre Peiniger.”

Hubertus Knabe

Mit dem Einigungsvertrag wurde auch ein Großteil des DDR-Staatsapparates in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik übernommen. Ob Schulen, Polizeistationen, Behörden: Die Opfer trafen überall auf altbekannte Gesichter. Selbst von den 28.000 Stasi-Mitarbeitern, die bei Überprüfungen in den ostdeutschen Landesverwaltungen entdeckt wurden, durfte mehr als die Hälfte weiterarbeiten. Lange Zeit kontrollierten sogar in der Stasi-Unterlagen-Behörde ehemalige Geheimdienstmitarbeiter die Ausweise der Opfer, bevor diese ihre Akten sehen durften.

Weil die Überprüfungen nicht obligatorisch waren, blieben sie zumeist lückenhaft. Parteifunktionen wurden überhaupt nicht gecheckt und welche Konsequenzen bei einer Enttarnung zu ergreifen waren, war nirgendwo vorgeschrieben. Nicht einmal die Mitglieder des Bundestags oder der Bundesregierung wurden – anders als in Rumänien – verpflichtet, sich einer Überprüfung zu unterziehen. Auch eine Unvereinbarkeit von einem hohen Amt mit einer früheren Stasi- oder SED-Tätigkeit – wie in Tschechien – gibt es nicht.

Wenig Hilfe für die Opfer

Ehemalige SED-Gegner hatten nach der Wiedervereinigung dagegen wenig Chancen, Einfluss zu gewinnen. Weil sie in der DDR in der Regel nicht studieren durften, kamen sie für Führungspositionen zumeist nicht in Frage. Niemand kümmerte sich darum, ihnen mit gezielten Programmen nachträglich zu den notwendigen Berufsabschlüssen zu verhelfen. In der Stasi-Unterlagen-Behörde wurde ihnen zunächst sogar bei Stellenbesetzungen bewusst der Zugang versperrt.

Dass die Opfer der SED-Diktatur kaum Gewicht haben, zeigte sich auch bei ihrer Entschädigung. Statt das Bundesentschädigungsgesetz von 1956 auf die in der DDR Verfolgten auszuweiten, beschlossen die Politiker ein neues, billigeres System. Die sogenannten SED-Unrechtsbereinigungsgesetze sahen dabei keinen Ausgleich mehr für erlittene Schäden vor, sondern nur noch eine Milderung fortdauernder Beschwernisse. Im Klartext: Außer einer Kapitalentschädigung von 307 Euro pro Monat Haft erhalten die Opfer nur dann eine monatliche Unterstützung von derzeit 300 Euro, wenn sie weniger als 1.272 Euro verdienen. Viele Opfer stehen dadurch heute schlechter da als ihre Peiniger, da die hohen Rentenansprüche für die staatsnahen DDR-Eliten 1:1 in das bundesdeutsche Rentensystem überführt wurden.

“Wie wenig Deutschland aus der Erfahrung des real existierenden Sozialismus gelernt hat, zeigte sich schlaglichtartig, als im vergangenen Jahr der 200. Geburtstag von Karl Marx begangen wurde.”

Hubertus Knabe

Für die Zukunft noch relevanter ist freilich, dass die Gründe für die Unterdrückung in der DDR den meisten Deutschen nicht bewusst sind. Umfragen bringen immer wieder ein erschreckendes Unwissen und bizarre Fehlurteile zutage. Selbst ausgebildete Historiker können oft nicht sagen, warum die Mauer und die Stasi existierten. Viele glauben, es hätte am Unvermögen der Machthaber – oder am Kalten Krieg – gelegen, dass sie an den Grenzen auf ihre Bürger schießen und ihre Kritiker ins Gefängnis werfen ließen. Die wenigsten sind sich im Klaren darüber, dass die SED-Diktatur auf einer Ideologie basierte, die gewaltsame Unterdrückung für legitim und notwendig hielt, um eine vermeintlich bessere Gesellschaft zu schaffen – ein Politikkonzept, das auch heute wieder auf Sympathien stößt: der Sozialismus.

Marx wird gefeiert

Wie wenig Deutschland aus der Erfahrung des real existierenden Sozialismus gelernt hat, zeigte sich schlaglichtartig, als im vergangenen Jahr der 200. Geburtstag von Karl Marx begangen wurde. Statt kritisch über seine Theorien nachzudenken, deren Verwirklichung rund 100 Millionen Menschen mit dem Tod bezahlen mussten, überschlugen sich die Feuilletonisten geradezu vor Begeisterung über den deutschen Denker, der die Diktatur des Proletariats zum Programm erhoben hatte. Die Stadt Trier ließ sich sogar eine fünf Meter hohe Marx-Statue von Chinas Kommunisten schenken und selbst Kardinal Reinhard Marx schwärmte öffentlich von seinem Namensvetter.

Ende Juni beschloss der Kulturausschuss im Bundestag, dass die Stasi-Unterlagen in das Bundesarchiv überführt werden sollen. Die größte Institution zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit wird damit wohl in Kürze abgewickelt. Das vergrößert die Gefahr, dass die sozialistische Diktatur noch mehr aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwindet. Es fehlt nicht mehr viel und die DDR hat es nie gegeben.

„Rechts ist keine Krankheit“

Stoiber-Kolumne

„Rechts ist keine Krankheit“

Kolumne Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber warnt davor, in der öffentlichen Debatte konservative Bürger und deren Themen in die Nähe zu Rechtsextremisten zu rücken. Dies gefährde die Meinungsfreiheit und stärke die politischen Ränder.

Viele Jahrzehnte lang haben in Deutschland mit Union und SPD zwei große Volksparteien neben der Mitte der Gesellschaft auch die demokratische Rechte beziehungsweise Linke politisch abgebildet. Extremistische Parteien wie die rechtsextreme NPD oder die linksextreme DKP wurden auf Bundesebene – von wenigen Achtungserfolgen etwa der NPD bei Landtagswahlen Mitte der 60er-Jahre abgesehen – in Schach gehalten. Bis weit in die 80er-Jahre hinein konnten die beiden Volksparteien bis zu 90 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen.

Absage an Extremisten

Heute allerdings sind sie in schweres Fahrwasser geraten. Mit dem Aufkommen der Grünen und später der Linkspartei hat die SPD große Teile ihres linken Flügels verloren. Die Union hat am rechten Flügel Konkurrenz durch die AfD bekommen, obwohl diese Partei und ihr Führungspersonal durch eine wachsende Nähe zum Rechtsextremismus auffallen und Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit angebracht sind. Allerdings lehnen viele Wähler der AfD die liberale Demokratie nicht grundsätzlich ab, sondern drücken mit der Wahlentscheidung ihren Protest gegen die etablierte Politik aus.

“Die AfD konnte in Brandenburg und Sachsen auch deshalb so stark werden, weil die CDU-Spitze in Berlin klare Signale vermissen ließ, wie sie AfD-Wähler für die Union zurückgewinnen will.”

Edmund Stoiber

Markus Söder hat deshalb völlig recht, wenn er die demokratisch gesinnten, konservativen Wähler der AfD auffordert, die Rechtsextremen in der AfD alleine zu lassen und zurück zur CSU zu finden. Will die Union die Menschen zurückgewinnen, denen die Welt zu komplex geworden ist, die sich auf eine nationale Übersichtlichkeit zurückziehen wollen, die um ihre kulturelle Identität fürchten, dann muss sie auch ihnen ein politisches Angebot machen.

Ministerpräsident Michael Kretschmer hat es in Sachsen vorgemacht: Dank seines bewundernswerten Engagements und seines kontinuierlichen inhaltlichen Dialogs mit den Bürgern konnte er die Verluste der CDU letztlich in Grenzen halten. Die AfD konnte in Brandenburg und Sachsen auch deshalb so stark werden, weil die CDU-Spitze in Berlin klare Signale vermissen ließ, wie sie AfD-Wähler für die Union zurückgewinnen will. Klimaschutz ist in aller Munde und sicher ein enorm wichtiges und drängendes Thema, aber gerade für die Menschen im Osten gibt es andere Themen wie Sicherheit, Wirtschaft, Arbeitsplätze oder Migration, die für sie ebenso wichtig sind.

Konservative nicht hinausdrängen

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck, der völlig unverdächtig ist, Sympathien für rechte Parolen zu haben, hat in mehreren bemerkenswerten Interviews eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“ im Sinne von konservativ gefordert. Nicht jeder, der schwer konservativ sei, sei eine Gefahr für die Demokratie und müsse aus dem demokratischen Spiel hinausgedrängt werden. Er halte zwar die AfD für verzichtbar, nicht verzichtbar sei es aber, die relevanten Themen und Probleme zu bearbeiten.

Obwohl er sich klar von rechtsextremen Positionen abgegrenzt hat, hat Gauck mit seinen Äußerungen sofort Entrüstung im politischen Berlin ausgelöst. Aber der frühere Bundespräsident hat vollkommen recht. Die Einbindung der demokratischen Rechten in CDU und CSU war ein selbstverständliches Ziel aller Parteivorsitzenden seit Konrad Adenauer und Josef Müller, dem „Ochsensepp“.

Bekannt ist das Diktum von Franz Josef Strauß 1986, das er nach einem überraschenden Wahlerfolg der rechten „Republikaner“ bei der bayerischen Landtagswahl formuliert hatte, dass es rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe.Strauß grenzte sich mit seiner Aussage klar von rechtsradikalen Parteien wie der NPD oder den Republikanern ab, deren Mitglieder und Wähler zu großen Teilen die freiheitliche Demokratie westlicher Prägung ablehnten.

Heimat in der Union

Wer sich in dieser Zeit der demokratischen Rechten zugehörig fühlte, war typischerweise ein Verfechter von Sicherheit und Ordnung, sah Deutschland nicht als Einwanderungsland, hatte ein traditionelles Ehe- und Familienbild und pflegte einen selbstbewussten Patriotismus, ohne aber nationalistisch zu sein. Alles in allem war „rechts“ beziehungsweise „rechtskonservativ“ in Deutschland eine legitime und legitimierte Haltung, deren politische Vertreter CSU und CDU waren.

In vielen europäischen Ländern finden konservative Positionen nach wie vor breite Akzeptanz, auch von den dortigen Medien, ohne dass sie mit rechtsextremem Gedankengut in Verbindung gebracht werden. Gauck selbst verweist auf Untersuchungen aus den USA und europäischen Ländern, denen zufolge zwischen 33 und 44 Prozent der Menschen stabil konservative Vorstellungen von ihrem Leben haben. Im Gegensatz dazu wird der Begriff „rechts“ vom deutschen politischen Mainstream heute unter Extremismusverdacht gestellt. Es sei in Deutschland üblich geworden, sagte der Politikprofessor Werner Patzelt schon 2008, unter dem Etikett „rechts“ alles von nicht links bis rechtsextrem zusammenzufassen.

Linker Mainstream

Während der Mainstream in früheren Jahren auch linke und rechte Politik abbildete, hat sich der Raum für Meinungsfreiheit in den letzten Jahren deutlich verengt, allerdings nur rechts der Mitte. Links-sozialistische Ideen wie die Zwangsenteignung von Wohnraum stoßen auf erstaunliche Zustimmung sogar maßgeblicher Mainstream-Politiker wie Robert Habeck. Das wäre noch vor zehn Jahren nicht denkbar gewesen. Dagegen sind früher akzeptierte Mitte-rechts-Positionen wie die Ablehnung der Ehe für alle oder ein Europa der Nationen anstelle der utopischen Vereinigten Staaten von Europa als Bundesstaat von der liberalen medialen Öffentlichkeit aus dem Mainstream gedrängt worden.

“Eine solchermaßen empfundene Einschränkung der Meinungsfreiheit hätte ich mir noch vor wenigen Jahren nicht vorstellen können.”

Edmund Stoiber

Wer die überproportional hohe Ausländerkriminalität oder den erlittenen Kontrollverlust im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 öffentlich kritisiert, hat den Mainstream ebenfalls verlassen. Das hat vor Kurzem Bayerns Innenminister Joachim Herrmann erfahren müssen, der in einem Interview Fakten zur höheren Gewaltneigung von Zuwanderern referierte und daraufhin harsche Kritik aus der links-grünen Ecke („pauschale Vorverurteilung“, „latent rassistische Stereotype“), einstecken musste. Auch Unions-Vize Carsten Linnemann stieß mit seinem sinnvollen Vorstoß, Kinder, die kein Deutsch können, vor der Einschulung verpflichtend in einer Vorschule Deutsch lernen zu lassen, sogar in der eigenen Partei auf Empörung („populistischer Unfug“, „Ausgrenzung“).

Das passt zu einer Allensbach-Umfrage vom Mai 2019, in der die Mehrheit der Befragten bei bestimmten Themen die Meinungsfreiheit in Gefahr sieht. Fast zwei Drittel haben dieser Umfrage zufolge den Eindruck, man müsse im öffentlichen Raum sehr aufpassen, was man sagt. Das betrifft in erster Linie das Flüchtlingsthema. Aber auch über den Einfluss des Islam, Gender-Fragen oder Patriotismus könne man sich nicht mehr freimütig äußern. Das ist meines Erachtens ein deutliches Alarmzeichen. Eine solchermaßen empfundene Einschränkung der Meinungsfreiheit hätte ich mir noch vor wenigen Jahren nicht vorstellen können.

Der Preis der Ausgrenzung

Die Verengung des Mainstreams auf links-liberale Positionen hat ihren Preis, worauf der Schriftsteller Bernhard Schlink vor Kurzem hingewiesen hat: Wenn immer mehr traditionell konservative Menschen, die Zuwanderung nicht nur als Bereicherung empfinden oder alles in allem stolz auf ihr Land sind, vom Mainstream tabuisiert werden, werden die Träger dieser Positionen aus dem akzeptierten Meinungsspektrum an den rechten Rand gedrängt und deren Ansichten dort diskutiert und noch bestärkt.

“Wer die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus fremden Kulturkreisen kritisch sieht und eine multikulturelle Gesellschaft ablehnt, ist noch lange kein Extremist.”

Edmund Stoiber

Diese systematische Ausgrenzung eines beachtlichen Teils der Bevölkerung führt nur zur Stärkung der Ränder und zur Schwächung der Volksparteien. Deshalb ist es für die Union als Mitte-rechts-Volkspartei auch künftig wichtig, der demokratischen Rechten eine politische Heimat zu bieten. Der Anspruch, den Strauß einst an die CSU formulierte, ist unverändert aktuell, auch wenn er immer wieder infrage gestellt wird. Wer die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus fremden Kulturkreisen kritisch sieht und eine multikulturelle Gesellschaft ablehnt, ist noch lange kein Extremist.

Sorge vor der Zuwanderung

37 Prozent der Deutschen halten einer neuen Eurobarometer-Umfrage zufolge die Zuwanderung für ein wichtiges Problem, dagegen nur 31 Prozent den Klimawandel. Dieser Prioritätensetzung muss man nicht zustimmen, aber wer diese Haltung hat, dem lässt sich doch nicht pauschal Extremismus vorwerfen! Wer sich vor raschen gesellschaftlichen Veränderungen fürchtet, die ihm Globalisierung und Digitalisierung aufzwingen, und am liebsten möchte, dass alles bleibt wie es ist, geht hier zwar fehl, ist aber ebenfalls noch lange kein Extremist. Wie sagt der Journalist Ralf Schuler pointiert: „Rechts ist keine Krankheit.“ Auch rechtskonservative Meinungen sind zu tolerieren. Der Kampf um die Meinungshoheit sollte mit Argumenten geführt werden, nicht mit sozialer Ächtung.

Scheitern an der Spree

Scheitern an der Spree

Berlin steht schon fast symbolisch für Pleiten, Pannen und politisches Versagen. Die Hauptstadt zeigt, was Rot-Rot-Grün für Deutschland bedeuten würde.

„Achtung, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands“, witzelte Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer, bevor er im rot-rot-grün regierten Berlin eintraf. Die Schweizer Zeitung NZZ schrieb 2018: „Die deutsche Hauptstadt kann einem schon einmal vorkommen wie ein Entwicklungsland. (…) Missstände, wohin das Auge reicht.“ Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sieht das anders: „Manche pflegen eben gerne ihre Vorurteile. Die meisten anderen finden die Stadt super!“

“Die deutsche Hauptstadt kann einem schon einmal vorkommen wie ein Entwicklungsland.”

Neue Zürcher Zeitung

Der seit 13 Jahren im Bau befindliche Flughafen BER ist sicher die bekannteste Berliner Panne. Ein kurzer Blick in die Zeitungen reicht aber, um eine ganze Serie davon zu finden:

  • März: zehn neue Blitzer aufgestellt, doch neun waren ohne Strom, einer schon wieder abgebaut und einer kaputt.
  • April: Obwohl die Hauptstadt die zweitniedrigste Geburtenrate aufweist, kommt sie mit den rund 41.000 Geburten pro Jahr nicht zurecht: Die Kreißsäle der 19 Kliniken platzen aus allen Nähten. Und bis 2020/21 werden rund 22.000 zusätzliche Kita-Plätze benötigt. Zudem fehlen aktuell schon rund 2.000 Fachkräfte. An den Schulen sieht es ähnlich aus.
  • Juni: Im morgendlichen Berufsverkehr haben Links­autonome auf der Elsenbrücke Autoreifen angezündet. Die Sperrungen führten zu stundenlangen Staus.

Im Mai gab es das: Die Drogendealer im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg sollten in kleinen Bereichen stehen, die mit rosa Farbe markiert wurden. Das hatte sich jedenfalls der Parkmanager des „Görli“ ausgedacht, ein Angestellter des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Stellplätze für Kriminelle. „Und obwohl sie dafür nicht mal zahlen müssen, wollen sie die pink markierten Stellen offenbar nicht nutzen“, ätzte die „Berliner Zeitung“ (BZ). Die Markierung sei eine „Einladung zum Rechtsbruch“, meint Berlins CDU-Fraktionschef Burkard Dregger. Bis zu 250 Dealer gibt es im Sommer im Görlitzer Park, 50.000 Menschen leben im Umfeld.

“Einladung zum Rechtsbruch.”

Burkard Dregger, Berlins CDU-Fraktionschef

Der rot-rot-grüne Senat änderte im Park den erfolgreichen Null-Toleranz-Kurs des früheren CDU-Innensenators Frank Henkel (bis 2016): Man wollte lieber „tolerant“ sein, das Berliner Unwort des Jahrzehnts. Der neue SPD-Innensenator Andreas Geisel behauptete nun, die Kriminalität rund um den „Görli“ habe deutlich abgenommen. Das Gegenteil ist der Fall, sagt die BZ: bis Mai 50 Prozent mehr Fälle von schwerer und gefährlicher Körperverletzung, 30 Prozent mehr Angriffe auf Beamte, 31 Prozent mehr Raub und Diebstahl.

Innere Unsicherheit

Die Innere Sicherheit in Berlin ist gefährdet. Nicht erst seit den Pannen im Umgang mit dem Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri wurde das deutlich. Mit 14.560 Straftaten auf 100.000 Einwohner liegt die Hauptstadt auf Platz 1 bundesweit. Gewalt- (plus 16,7 Prozent) und Sexualdelikte (plus 32 Prozent) nahmen deutlich zu. Berlins Bürgermeister Müller (SPD) meinte 2018, es gebe keine „No-Go-Areas“, aber nachts um 3 Uhr gelte in Teilen Berlins wie in anderen Großstädten: „Da nehme ich mir lieber ein Taxi.“ Also doch lieber nicht zu Fuß.

Die unterbesetzte Justiz ist so überlastet, dass sie sich nur noch um das Wichtigste kümmern kann. Nach langer roter Regierung hat sie zudem entweder eine Bremse im Kopf, sobald die Angeklagten Migranten sind, oder liegt auf Kuschelkurs. Sogar Kriminelle wissen das, wie der „Focus“ über eine Abhöraktion berichtete: Den Vorschlag eines Diebesbandenmitglieds, auch in München zu klauen, habe ein anderer mit den Worten abgelehnt: „Bist du wahnsinnig? Wenn die dich schnappen, fährst du dort sofort ein.“ Die Gefahr, schon bei der ersten Tat eine Freiheitsstrafe für Diebstahl zu bekommen, liege dagegen in Berlin bei null. Aber auch Freiheitsstrafen werden hier nicht so eng gesehen: 2017 hatte ein verurteilter pädosexueller Doppelmörder 215-mal Gefängnisausgang – er war also mehr draußen als drinnen.

Immerhin: 7,3 Millionen Euro gab es für die überbelegten Berliner Gefängnisse – für WLAN. „Resozialisierung durch Digitalisierung“, so der stolze grüne Justizsenator. Seltsame Prioritäten: Trotz strengen Verbots wurden 2017 bei den Gefangenen 1308 Handys und kiloweise Drogen gefunden. Ein JVA-Beamter sagte der BZ: „Hätten wir Drogenspürhunde und mehr Personal, könnten wir das Zehnfache aus den Knästen herausholen.“

Im Landeskriminalamt, das sich nur um die schweren Kriminalfälle kümmert, wurden im vergangenen Jahr mehr als 55.000 Ermittlungsverfahren nicht bearbeitet. Die Polizei wurde kaputtgeschrumpft – und ständig kritisiert. So forderten die Grünen im Februar einen Maßnahmenplan, um bei der Behörde eine „Kultur der Wertschätzung von Vielfalt“ zu fördern und „Racial Profiling zu verhindern“.

“Es gibt Moscheen, die kümmern sich einen feuchten Kehricht um unser Recht.”

Mathias Rohe, Islamwissenschaftler

Es scheint, als ob sich zumindest bei der SPD etwas ändert – spätestens seit die arabischen Kriminellen-Clans den Landesbehörden immer dreister auf der Nase herumtanzten. Jetzt endlich reagiert Berlin mit mehr Kontrollen: 77 Immobilien wurden wegen Geldwäscheverdachts eingezogen. In der bereits 2015 vorgestellten Studie „Paralleljustiz“ hatte der Islamwissenschaftler Mathias Rohe Berlin vor den Clans gewarnt. Und vor Parallelgesellschaften: „Es gibt Moscheen, die kümmern sich einen feuchten Kehricht um unser Recht.“

Zusammenarbeit mit Islamisten

Doch jetzt plant der Innensenator, mit der islamistischen Muslimbruderschaft zu kooperieren, um die noch übleren Salafisten zu deradikalisieren. Das sagte er bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2018.

Nebenbei musste Geisel bekannt geben: Das stärkste verfassungsfeindliche Spektrum in Berlin sind Linksextremisten, deren Zahl auf 3.140 stieg, 970 davon gewaltbereit. Doch linksextreme Hausbesetzer etwa in der Rigaer Straße werden selten verhaftet, aber oft gefeiert, sogar wenn sie Polizisten mit brutaler Gewalt begegnen. Polizeipräsidentin Barbara Slowik setzte zunächst auf die volle Härte des Nichtstuns. Polizisten sollten Szenetreffpunkte von Linksex­tremisten bei polizeilichen Maßnahmen nur nach Rücksprache mit der Behördenleitung oder höheren Dienstgraden betreten, so die Anordnung. „Sonderrechte zur gemütlichen Flucht“, nannte das ein Berliner Abgeordneter. Erst nach der heftigen Kritik wurde diese Anweisung korrigiert. Für rechtsradikale Szenetreffpunkte gibt es natürlich keine Bremse.

Gesetze werden in Berlin offenbar als unverbindliche Empfehlung verstanden. So haben im Koalitionsvertrag SPD, Grüne und Linke festgelegt, dass Abschiebungen nur „ultima ratio“ sein sollen. Und Berlins Ausländerbehörde heißt jetzt „Landesamt für Einwanderung“. Sie werde damit „zu einer echten Willkommensbehörde“ fortentwickelt, so der SPD-Innensenator.

Was folgte, war sogar Zuzug von Asylbewerbern aus anderen Bundesländern. Nun hat die linke Sozialsenatorin Elke Breitenbach die Berliner Asylunterkünfte sogar angewiesen, Polizisten nur noch gegen Vorlage eines Durchsuchungsbeschlusses einzulassen. Bereits fünf Polizisten seien wegen Hausfriedensbruchs angezeigt worden, berichtete der verärgerte Geisel.

Marode Gebäude, kranke Beamte

Personalräte warnen: Trotz leichter Verbesserungen sei die Personallage in vielen Behörden immer noch stark angespannt, viele Gebäude marode, inklusive Schimmel- und Rattenbefall. Das wirkt sich aus: Berliner Beamte waren 2016 im Schnitt 35,5 Tage krank, allen voran Polizei (49 Tage) und Feuerwehr (48), dahinter die Lehrer (31). In Bayern fehlten Beamte im Schnitt lediglich 10,7 Tage.

Mit 3,7 Millionen Einwohnern ist Berlin eine Metropole geworden, die im Jahr 13 Millionen Besucher und 31 Millionen Übernachtungen zählt. Die Wirtschaft wächst, viele große Firmen ziehen her, so ist das mit Hauptstädten. Also sinkt die Arbeitslosigkeit und liegt dennoch bei 7,8 Prozent (Bayern 2,7 Prozent). Die Verschuldung Berlins sank dank der guten Konjunktur auf unter 60 Milliarden Euro, immer noch der dritthöchste Wert in Deutschland. Und immer noch leben in Berlin rund 18 Prozent der Einwohner von sozialen Mindest­sicherungsleistungen.

Als Ende 2018 ein Haushaltsüberschuss von zwei Milliarden Euro verkündet wurde, wurde von Rot-Rot-Grün ein großer Teil in neue soziale Leistungen gesteckt. So soll, nach gebührenfreien Kindertagesstätten und Schulhorten, ab dem kommenden Schuljahr auch der Elternbeitrag zum Schulessen für Grundschüler entfallen. Ab 1. Juli wird auch noch ein „solidarisches Grundeinkommen“ in Berlin getestet, 34 Millionen Euro Kosten pro Jahr für 250 Arbeitslose.

Fass ohne Boden

Man darf dabei nicht vergessen: Die Stadt hängt eigentlich am Tropf. Berlin bestreitet einen Teil seines Haushalts aus dem Geld des Länderfinanzausgleichs, zuletzt 4,4 Milliarden Euro. Das sind immerhin 15 Prozent des gesamten Berliner Haushalts von rund 30 Milliarden Euro.

Unfassbar viel Geld wird in der Hauptstadt auch für Unsinniges „verbrannt“, so etwa in Zehlendorf für einen Radweg in Slalomform. Und die linke „taz“ meldete gar „Radwege ins Nichts“ in Berlin-Mitte. „Parklets“ für Fahrräder oder zum Sitzen werden auf Fahrbahnen platziert. 59.000 Euro das Stück, das meist entweder als Partyzone oder Müllhalde endet. Etliche wurden nun auf Drängen der Anwohner wieder abgebaut.

Was Rot-Rot-Grün unter der angekündigten „Verkehrswende“ versteht? „Ich will, dass die Leute ihr Auto abschaffen“, sagt die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther. Baustopp für die Stadtautobahn, die der Bund verlängern wollte. „Wichtige Strecken ins Umland sind auf dem Ausbauniveau der DDR. Zehntausende Pendler stehen jeden Tag im Stau“, meldete die „Bild“ – wie auf der Flughafenautobahn zum BER, der aber noch gar nicht geöffnet ist.

Für Enteignungen

Ein Volksbegehren in Berlin will große Wohnungsgesellschaften enteignen. Effekt schon jetzt: ein Rückgang der Wohnungsbau-Investitionen. Wie das hochverschuldete Berlin die geschätzt 35 Milliarden Euro für die Entschädigungszahlungen aufbringen will, weiß auch keiner. Trotzdem: Fast alle bei Rot-Rot-Grün finden Enteignung dufte.

Ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass ausgerechnet die „Linke“, Rechtsnachfolgerin der SED, lautstark für Enteignungen eintritt: Deren DDR-Politik ist für einen Großteil des Mangels verantwortlich. Die Linke war es aber auch, die 2004 in der Koalition mit der SPD rund 65.700 Wohnungen für nur 405 Millionen Euro an private Investoren verkauft hat.

Am Ende: die Bildung

Der Bildungsmonitor 2017, den das Institut der deutschen Wirtschaft anhand von 93 Indikatoren erstellt, sah Berlin auf dem letzten Platz. Und laut dem IQB-Bildungstrend 2017 schaffte jeder dritte Viertklässler in Berlin nicht einmal den Mindeststandard in Rechtschreibung. Jeder Vierte scheiterte in Mathematik, jeder Fünfte beim Lesen.

Die Gründe dafür: 41 Prozent der Viertklässler in Berlin haben einen Migrationshintergrund, in einzelnen Schulen sogar fast 100 Prozent. Und: Berlin hat sechs Jahre Grundschule, da lässt man sich Zeit. Neben dem hohen Krankenstand fehlt auch Personal. Und von den noch gefundenen 2.700 neuen Pädagogen hatten nur 1.047 ein Lehramtsstudium absolviert. Auch Gebäude sind marode oder fehlen schlicht. Bis 2026 sollen aber 65 neue Schulen gebaut werden. Zweifel sind angebracht: 2017 hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) den Bau von 27 „Schnellbau-Kitas“ aus Fertigteilen angekündigt. Keine ist fertig.

“Babylon mit Currywurst.”

NZZ, über Berlin

„Scheeres stellt den Erwerb der Grundfertigkeiten nicht in den Mittelpunkt, sondern gesellschaftspolitische Ziele wie Inklusion, Integration, Mitbestimmung, Betreuung …“, so Hildegard Bentele, CDU-Bildungsexpertin. Dazu Multikulti- und Gender-Geschwätz, während muslimischer Antisemitismus und Christenfeindlichkeit an den Schulen regieren. Ein Neuköllner Brandbrief wies darauf hin, dass der Krankenstand auch mit den „unglaublichen Respektlosigkeiten und Beleidigungen“ gegen Lehrer zu tun habe. „Kein Einzelfall“, mahnt die FAZ.

Eine Stadt im Chaos

Die Mängelliste der Stadt, laut NZZ das „Babylon mit Currywurst“, ist schier endlos, und keineswegs nur für „penible Schwaben“, wie Berliner Zeitungen Boris Palmer nannten.

Der Berliner Senat lehnte 2018 sogar ab, die Bewerbung des weltbekannten Theaterstücks „Hauptmann von Köpenick“ als immaterielles UNESCO-Kultur­erbe zu unterstützen. Grund: Es sei zu sehr dem preußischen Militarismus verbunden. Die Geschichte parodiert aber gerade Militarismus und Untertanengeist.

Die 40 Jahre sozialistischer DDR-Diktatur werden vertuscht und verklärt, dafür sorgen die SED-Erben, die zeitweise einen Stasi-belasteten Linksaktivisten zu einem von 25 Staatssekretären (Bayern hat 4) ernannten. Auch wurde Hubertus Knabe, der unbequeme Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, ausgerechnet vom linken Kultursenator Klaus Lederer gefeuert, weil er angeblich sexuelle Belästigungen dort nicht konsequent geahndet habe. Das Arbeitsgericht sah das wohl anders, denn man verglich sich. Dass Stasi-Opfer 30 Jahre nach dem Sturz der DDR die Dokumente ihrer Verfolgung ausgerechnet in der nach einem Kommunistenführer benannten Karl-Liebknecht-Straße einsehen müssen, das kümmert hier sowieso niemand.

Berlin steht mittlerweile ganz grundsätzlich für Dysfunktionalität und verfehlte Politik. Vielleicht hätte Palmer lieber Dantes „Göttliche Komödie“ zitieren sollen: „Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“

Moral gegen Fakten

Migration

Moral gegen Fakten

Kommentar Heiko Maas und einige deutsche Kommunen fordern ein "Bündnis der Hilfsbereiten" für Migranten. Wieder wird nach europaweiter Verteilung der Asylbewerber gerufen. Das kann nicht funktionieren und sendet überdies ein fatales Signal aus.

Ein Fehler, so heißt es, liegt erst dann vor, wenn man ihn ein zweites Mal macht. Genau das bahnt sich derzeit in Europa und insbesondere in Deutschland an. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Wochenende eine Vorreiterrolle Deutschlands und anderer aufnahmewilliger EU-Staaten vorgeschlagen – ein „Bündnis der Hilfsbereiten für einen verbindlichen Verteilmechanismus“. Deutschland sei bereit zu garantieren, immer ein festes Kontingent an Geretteten zu übernehmen.

Keine Aussicht auf Erfolg

Ein Verteilmechanismus wird seit 2015 in der EU in Endlosschleifen angepriesen – ohne dass er je reale Aussichten auf Erfolg gehabt hätte. Das scheitert zum einen an den osteuropäischen Staaten, die sich einer solchen Verteilung per ordre deutscher Moralkeule standhaft verweigern. Und an den Staaten, die sich hinter den Osteuropäern verstecken, aber ebenfalls keine Verteilung wünschen.

“Die Rettung aus der Seenot darf nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden sein.”

Sebastian Kurz, ÖVP

Das scheitert aber auch deshalb, weil es nicht funktionieren kann. Kein Asylbewerber bleibt im grenzenlosen Europa dort, wo er hin„verteilt“ wird, egal ob hilfswillige Kommune oder Land. Sondern er geht immer dorthin, wo er auch hin will, wo es die höchsten Sozialleistungen, die besten Jobs, die meisten Landsleute oder Familienmitglieder gibt. Also Deutschland, Österreich, Schweden, Niederlande, zum Teil noch Frankreich, Großbritannien und Belgien.

Was aber noch wichtiger ist: Ein Verteilmechanismus würde wie 2015 erneut das fatale Signal aussenden, dass alle, die Europa erreichen, auch hier willkommen sind. Selbst wenn sie nur aus wirtschaftlichen Gründen fliehen, wie vermutlich ein nicht geringer Teil der jungen Asylbewerber an Bord der „Sea-Watch 3“. Deren Kapitänin und neue linke Galionsfigur Carola Rackete forderte jetzt sogar, die mindestens 500.000 Migranten aus libyschen Lagern nach Europa zu holen! Ein erneuter Ansturm wäre die Folge, die Lager wären in kürzester Zeit wieder gefüllt. Laut UNHCR gibt es derzeit mindestens 70 Millionen Flüchtlinge weltweit und laut Umfragen sind allein in Afrika mehr als 350 Millionen Menschen ausreisewillig. Und das bereits vor der erwarteten Verdoppelung der afrikanischen Bevölkerung bis 2050.

Der Kollaps droht

Das würde nicht nur die deutschen (und europäischen) Finanzen, den Wohnungsmarkt und das Sozialsystem kollabieren lassen, es würde auch unsere weiter gespaltene Gesellschaft überfordern – selbst wenn nur ein Teil der Migrationswilligen wirklich käme. Wem aber hilft es, wenn der Helfer irgendwann selbst der Hilfe bedarf?

Die Lobbyisten der unbegrenzten Zuwanderung, unterstützt von unkritischen Journalisten, vermischen derzeit gerne die Seenotrettung mit der Migrationsfrage. Moral soll Fakten verdrängen. Dabei stellt keine der Mitte-Parteien im Bundestag infrage, dass Schiffbrüchige gerettet werden müssen. Sogar, wenn sich die Asylbewerber selbst in für die Überfahrt offensichtlich ungeeigneten Booten in diese Notlage begeben. Selbst wenn sie dafür auch noch viel Geld zahlen – mit dem klaren Ziel, die Einreise in die EU als „Schiffbrüchiger“ zu erzwingen.

Aber es geht nur darum, wohin sie nach der Rettung gebracht werden sollen.

Mit Nebenwirkungen

Jedes Schiff, das Asylbewerber sofort nach Europa bringt, erhöht den weiteren Zustrom von Migranten – und damit die Zahl der Ertrunkenen. Das lässt sich an den Zahlen des UN-Flüchtlingshochkommissariats ablesen. Danach sind die Ankünfte in Europa und die Zahl der Toten stark zurückgegangen, als Italien seine harte Linie gegen die Fährdienste der NGOs als zumindest inoffizieller Teil der Schleppernetzwerke begann. Zugleich gab es laut Frontex in Spanien nach dem Regierungswechsel einen starken Zuwachs an Migranten, weil der neue sozialistische Regierungschef auf Willkommens-Linie lag.

Jedes Schiff untergräbt obendrein das Vertrauen vieler EU-Bürger in Demokratie und Rechtsstaat in Europa. Sei es durch das offensichtliche Versagen bei der Grenzsicherung, durch illegale Einwanderung inklusive fehlender oder gefälschter Papiere, durch danach scheiternde Abschiebungen oder durch Straftaten von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Auch die Akzeptanz für Migration und Asyl leidet darunter, während Rechtspopulisten ein kostenloses Konjunkturprogramm erhalten.

Lösungswege

Die Probleme Afrikas lassen sich angesichts der dortigen Bevölkerungsexplosion ohnehin weder durch die Aufnahme von 1000 noch von einer Million Afrikanern lösen. Migranten, die zudem oft der Mittelschicht und den besser Ausgebildeten angehören und in ihrer Heimat fehlen. Nein, dazu braucht es – neben legaler, vorübergehender Ausbildungs- und Arbeitserlaubnisse für Europa – vor allem dauerhafte und sinnvolle Aufbauhilfe und Handelserleichterungen des Westens für demokratische Länder in Afrika. Hilfe zur Selbsthilfe, verbunden mit dem Lohn für gutes Regieren. Alles andere ist unrealistisch und hilft nicht.

Kurzfristig die beste Lösung wären von der EU verwaltete Auffangzentren in Nordafrika, in die die Geretteten umgehend gebracht werden. Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, hat dies bereits im Jahr 2015 angeregt. Verbunden mit einer Asylprüfung und bei Asyl-Ablehnung mit der sicheren Rückführung in ihre Heimatländer. Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat Recht, wenn er sagt: „Die Rettung aus der Seenot darf nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden sein.“ Denn dieser Weg würde einerseits sofort die Kooperation mit dubiosen libyschen Küstenwächtern sowie andererseits vermutlich in wenigen Wochen die Flucht über das Mittelmeer weitgehend beenden. Und die EU würde endlich Handlungsfähigkeit beweisen.